Dienstag, 22. Februar 2022

Weltradreise 2012/13: Unsere 1000er Fotos




16 000 km erreicht und fast wieder zu Hause: 
16. August 2013 an der Rudelsburg (Saale) in Thüringen



2. August 2013: 15 000 km in Dänemark




10. Juli 2013 Island: Tachostand 14 000 km nach der Durchquerung des Hochlandes auf der Kjölur-Piste




30. Juni 2013, San Francisco, mit dem gesamten Gepäck auf den Rädern unterwegs zum Flughafen: 
13 000 km sind geschafft!!


4. Juni 2013 bei Hank in Porterville, California: 
12 000 km geschafft!



7.5.2013 an der kalifornischen Küste südlich von Monterey: 
11 000 km auf dem Fahrrad-Tacho



11.4.2013: Wir haben 10.000 km geschafft - 
in den Bergen von Shikoku, und zwar 
im Iya-Tal, dem "japanischen Tibet".


Und dieser Kollege hat das Bild oben gemacht: Lois Jäger aus Österreich, Hardcore-Radreisender, schon sieben(!) Sabbatjahre auf dem Fahrrad,hat gerade eine mehrmonatige Tour im südlichen Afrika hinter sich,jetzt in Japan unterwegs. Er ist der erste ausländische Reiseradler, den wir in Japan treffen - ausgerechnet hier im Iya-Tal, bei km 10.000 !!


14.4. Zurück aus den Bergen, wieder in der Zivilisation: Wir feiern die "10.000" nachträglich mit einem landestypischen Abendessen :-))))
Im Uhrzeigersinn von unten: 
japanisches "Tonkatsu"-Schnitzel (zwei Stücke fehlen schon :-)), 13 verschiedene Sushi (beim Transport auf dem Fahrrad z.T. etwas verrutscht), Inari-Sushi, Macadamia-Nüsse mit Schokoladenüberzug (als Nachtisch),zwei Sorten Sashimi (Lachs und Weißer Thunfisch). Als Aperitif und zum Nachspülen: Reiswein /Sake (im Tetrapack, hier absolut üblich auch für hochpreisige Weine
).



17.3.2013 Motobu (Okinawa), Japan: 
9000 km sind geschafft.
       


16. Februar 2013  Kratie (Mekong), Kambodscha:  
8000 km erreicht 




22. Januar 2013 Nähe Inle-See in Myanmar/Burma: 
7000 km geschafft



19. Dezember 2012 Süd-Thailand: 6000km!!



25.11.2012 Sri Lanka, auf dem Weg vom Hochland zur Südküste: 5000 km sind geschafft!
Als wir in der Nähe einer Kirche unser "Tausender"-Foto machen wollen, kommen wir mit dieser Baptisten-Familie ins Gespräch.




 22.10.2012: Unsere Hotelterrasse in Gaucin (Süd-Andalusien, Spanien)
 mit Blick auf Afrika und Gibraltar: 
4000 km auf dem Tacho. 



3. Oktober 2012 im Süden von Aragon (Nord-Spanien): 3000 km



Frankreich, in der Bretagne bei Rochefort: 
2000 km - endlich!


Die ersten 1000 km sind geschafft:
Von Lohmar-Jexmühle nach Süd-Uist auf den
Äußeren Hebriden (Schottland)




Montag, 21. Februar 2022

Israel, Westjordanland/Palästina und Jordanien im Oktober/November 2019 - Teil 1

 

Teil 1: Tel Aviv, Jerusalem, Bethlehem, Ramallah

 

Dienstag, 15.10.2019: Ein Nachmittag in Baden-Baden vor dem Abflug nach Tel Aviv

 

Vor dem Abflug nach Tel Aviv verbringen wir einen Nachmittag in Baden-Baden und nutzen die Gelegenheit, zumindest einen kleinen Eindruck von dieser schönen, interessanten, im Zweiten Weltkrieg kaum zerstörten Kur- und Festspielstadt mit ihren prächtigen Gebäuden im Stil des Klassizismus und der Gründerzeit zu bekommen. Wir spazieren an Kurhaus und Casino vorbei, schauen in die eindrucksvolle Trinkhalle mit ihren 16 korinthischen Säulen und 14 Wandbildern, gehen durch die Lange Straße und gönnen uns sündhaft teure Schwarzwälder Kirschtorte, werfen einen Blick ins traditionsreiche, heute textilfreie Friedrichsbad und steigen auf zum höher gelegenen Teil der Altstadt, um uns die Stiftskirche am Fuße des Florentinerbergs anzusehen.  Immer wieder hören wir Russisch und sehen auch viele Hinweise und Umschriften in kyrillischen Buchstaben, was sich dadurch erklärt, dass mittlerweile über 2000 russische Staatsbürger hier ihre Wahlheimat gefunden haben und die Stadt bei Touristen aus Russland äußerst beliebt ist, weshalb Baden-Baden allenthalben auch als die russischste Stadt Deutschlands bezeichnet wird. Schon im 19. Jahrhundert zog es die Elite aus Russland in die schöne Stadt an der Oos, nicht zuletzt wegen der Spielcasinos. Turgenjew und Dostojewski schrieben hier Bücher, auch Tolstoj weilte in Baden-Baden und notierte dort am 14. Juli 1857 den oft zitierten Satz in sein Tagebuch: „Roulette bis sechs Uhr abends. Alles verloren.“  Heute kauft sich der Moskowiter Geldadel ein, die Namen der Käufer bleiben dabei oft im Dunkeln, und für viele russische Touristen scheint die Stadt noch immer einen klangvollen Namen zu haben und ein Sehnsuchtsziel zu sein…. Auch wir sind begeistert vom Charme Baden-Badens und nehmen uns vor, der Stadt bald einen längeren Besuch abzustatten. Auf dem Weg zum Flughafen halten wir noch am prächtigen Empfangsgebäude des alten Bahnhofs, das heute Teil des Festspielhauses Baden-Baden ist, dann geht es mit dem Bus zum Flughafenhotel.

 

 

Baden-Baden: Trinkhalle

 

 

 Stiftskirche in Baden-Baden vom Aussichtspunkt auf dem Florentinerberg

 

 

 Dito

 


Tel Aviv: Mittwoch, 16.10.2019 bis Samstag, 19.10.2019


 
Unser Flug nach Tel Aviv geht pünktlich um 8 Uhr, nachdem wir sehr aufwendige Sicherheitskontrollen durchlaufen haben. Nach ca. 4 Stunden sind wir schon im Landeanflug auf den Ben Gurion International Airport. Der Beamte an der Passkontrolle ist überaus freundlich und scherzt, bei Problemen sollten wir uns an seine Kollegin neben ihm wenden, sie spreche Deutsch und würde es sicher gerne anwenden. Keine weiteren Fragen zu Zielen während unseres Aufenthalts. In Reiseführern wird allenthalben vor der Grobheit der israelischen Grenzbeamten und Sicherheitskräfte gewarnt, wir konnten nichts davon verspüren, im Gegenteil, stets wurden wir höflich behandelt und auch unsere Befürchtungen bezüglich Vorbehalten gegenüber Deutschen bestätigten sich nicht.

Zu unserer Überraschung können wir den Flughafen ohne weitere Sicherheitskontrollen verlassen, finden nach der detaillierten Beschreibung unserer Airbnb-Gastgeberin schnell den Zug Richtung Tel Aviv und nach einem kurzen Fußmarsch unser Heim im 6. Stock eines Hochhauses in Giv’atayim, einem Vorort im Osten von Tel Aviv. Bis wir uns eingerichtet haben, ist es schon 16 Uhr, zu spät, um noch ins Zentrum zu fahren, zumal es gegen 18 Uhr dunkel wird und wir uns mit den öffentlichen Verkehrsmitteln noch nicht auskennen. So belassen wir es heute bei einem Spaziergang durch unser Viertel, eine für die Vororte von Tel Aviv wohl ziemlich typische Hochhaus-Siedlung. In der Nähe unserer Unterkunft gibt es mehrere kleine Supermärkte und Imbisse, ansonsten ist es wenig urban, aber wir finden an unserem ersten Abend in Israel alles spannend und schauen uns neugierig in den Läden um. Auffällig groß ist das Angebot an Hummuszubereitungen, das scheint die Leibspeise der Israelis zu sein. Ein junger Mann, der mitbekommt, dass wir Deutsche sind, outet sich als Deutsch-Israeli, der jetzt dauerhaft hier lebt, und freut sich geradezu enthusiastisch, sein perfektes Deutsch einsetzen zu können. Er versorgt uns mit Tipps für die besten Hummus-Restaurants in Tel Aviv und die schmackhafteste Hummus-Marke in den Supermärkten – das ist doch schon mal ein guter Einstieg!




  
 Blick aus dem Fenster unserer Unterkunft in Tel Aviv 
 
 
 
Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Bus ins Zentrum, wobei wir schnell feststellen, dass die Orientierung nicht so einfach ist, weil sowohl in den Bussen als auch an den Haltestellen bis auf wenige Ausnahmen alles nur in Hebräisch steht. Auch kann man nicht in jedem Bus einfach so ein Ticket lösen, mehrfach werden wir nicht mitgenommen und durchschauen erst nach einer Weile, dass es sinnvoll bzw. notwendig ist, sich eine aufladbare Karte zu besorgen, für die man normalerweise einen Antrag stellen muss und ein Passfoto braucht. Wir haben Glück, dass uns ein Angestellter im Hauptbusbahnhof ein solches Ticket formlos und scheinbar unter der Hand verkauft, erfahren allerdings später, dass diese anonyme Variante ohne Passfoto das übliche Touristenticket ist.
 
Ohne unser Handy mit dem Navigationsprogramm OruxMaps wären wir verloren gewesen und hätten (fast) nie gewusst, wo wir eigentlich aus- oder umsteigen müssen. Rein zufällig erwischen wir heute einen Bus, der uns direkt zum Carmel-Markt mitten im Zentrum bringt. Wir steigen in der Allenby Street aus und laufen von oben in den Markt hinein, wo um 9 Uhr morgens die meisten Stände noch geschlossen sind. Deshalb gehen wir erst mal durch bis zum Stadtstrand, der sich, in verschiedene Abschnitte unterteilt, über insgesamt 14 km erstreckt. Das ist schon einmalig, dass man nur ein paar Schritte vom Stadtzentrum entfernt einen phantastischen Strand am Mittelmeer erreicht, alleine das macht Tel Aviv zu etwas ganz Besonderem. Eine Weile spazieren wir am wunderbaren Banana und Jerusalem Beach entlang, direkt dahinter ragen die Hochhäuser auf… Dann schauen wir kurz in die zentrale Touristeninformation an der Herbert Samuel Esplanade, wo man uns wenig Hoffnung macht, dass wir am Samstag, also am Sabbat, nach Jerusalem weiterreisen können. Die Unterkünfte in Tel Aviv und Jerusalem haben wir schon vor sehr langer Zeit gebucht, nicht ahnend, dass am Sabbat, d.h. grob von Freitagnachmittag bis Samstagabend, wirklich das gesamte öffentliche Leben ruht, folglich auch keine Busse fahren. Wir haben also ein Problem, was wir erst kurz vor unserer Abreise realisierten, weil wir in Tel Aviv nur bis Freitag und in Jerusalem schon ab Samstag reserviert haben und eigentlich mit dem Bus fahren wollten. Am späten Abend möchten wir aber ungern in einer so großen Stadt wie Jerusalem ankommen. Nun, irgendwie wird es eine Lösung geben, wir gehen erst einmal zurück zum Carmel, wo jetzt schon dichtes Gedränge herrscht. Der quirlige Straßenmarkt besteht aus einer langgezogenen Hauptgasse, von der etliche kurze Quergassen abzweigen. Stand reiht sich an Stand, am oberen Zugang im Bereich der Allenby Street werden vor allem Kleidung, Schmuck etc. feilgeboten, dann folgen Gemüse, Obst, Kräuter, Gewürze, Oliven, Fruchtsäfte, Käse, Baklava, Nüsse und Trockenfrüchte, Brot, Pickles, die bei den Israelis sehr beliebt zu sein scheinen, alles in großer Auswahl und im Überfluss, dazu frisch zubereitete, köstlich duftende Snacks etc., in einer Parallelgasse kann man auch Fleisch kaufen. Der Markt liegt mitten im jemenitischen Viertel, das mit seinen engen Gassen einen krassen, aber interessanten Gegensatz zu dem modernen Hochhaus-Tel Aviv bildet. Wir sind begeistert, das ist ganz nach unserem Geschmack, und lassen uns mit der Masse durch den Shuk HaCarmel treiben, wie der Markt auf Hebräisch heißt. In den Quergassen befinden sich vor allem Cafés und kleine Restaurants/Bars, hier steuern wir in der Simtat HaCarmel zum späten Frühstück das „Shukshuka“ an, ein imbissartiges Restaurant, das Gerold schon im Vorfeld ausgesucht hat. Wir bestellen Shakshuka, das typische israelische Frühstück, das aber zu allen Tageszeiten schmeckt. Traditionell besteht dieses Gericht, das man fast als israelische Nationalspeise bezeichnen kann, aus pochierten Eiern und Schafskäse, die in einer dick eingekochten, kräftig gewürzten Tomaten-Paprika-Zwiebel-Sauce versinken, bei der Kreuzkümmel auf keinen Fall fehlen darf, zubereitet und serviert in einer speziellen Shakshuka-Pfanne zusammen mit Weißbrot oder Pita. Wir nehmen heute eine traditionelle Shakshuka, daneben gibt es viele Varianten, mit anderen Käsesorten, Merguez… Da die Levante-Küche schon seit einiger Zeit auch in Deutschland sehr populär ist, haben wir später zu Hause auf der Suche nach Rezepten noch etliche Abwandlungen im Internet entdeckt und z.B. eine sehr gute Rote-Bete-Shakshuka ausprobiert, auch Rezepte für grüne Shakshuka mit Spinat, Porree oder Erbsen gibt es. Während unseres Aufenthalts in Israel bestellen wir jedenfalls diese Köstlichkeit, wann immer wir sie auf der Speisekarte entdecken können. Zurück in der Hauptgasse des Carmel probieren wir dann noch Kibbeh, frittierte Bulgur-Bällchen mit Hack, und Bourekas, Blätterteigröllchen oder –taschen mit verschiedenen Füllungen, alles superlecker. Dann wird uns das Gedränge – morgen ist Sabbat und viele mögen dafür einkaufen – doch zu viel, das Marktgeschehen ist unübersichtlich und wäre ein klassisches weiches Anschlagsziel für Terroristen… Tatsächlich jagte sich hier 2004 ein Selbstmord-Attentäter in die Luft, aber in den letzten Jahren gab es in Israel weniger Anschläge, was wohl vor allem dem Bau der Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland zu verdanken ist, mit deren Errichtung 2002 begonnen wurde und die mittlerweile fast 800 km umfassen. Oft mit der Mauer zwischen der BRD und der ehemaligen DDR verglichen, sind die Absperrungen natürlich sehr umstritten, führten aber zu einer deutlichen Reduzierung von Selbstmordanschlägen im israelischen Kernland, die vor allem von Palästinensern aus dem Westjordanland begangen wurden. Aus israelischer Sicht sind die Anlagen also absolut notwendig, um die eigene Bevölkerung zu schützen, wir maßen uns kein Urteil an, schon gar nicht als Deutsche. Was es bedeutet, in einem so kleinen, dicht besiedelten Land zu leben - Israel hat etwa die Größe von Hessen und ca. 9,2 Millionen Einwohner -, umgeben von feindseligen Nachbarn, die Israel lieber heute als morgen von der Landkarte tilgen würden, können wir nicht einmal erahnen. Auch wenn es mit Jordanien und Ägypten mittlerweile Abkommen gibt, ändert das nichts an Israels prekärer Situation. Der Iran z.B. ruft seit Jahrzehnten unverblümt zur Vernichtung Israels auf und hat 2018 sogar ein neues "Festival" etabliert, das Internationale Sanduhr-Festival, als Symbol dafür, dass die Tage Israels gezählt sind. Schon seit 1979 gibt es den Al-Quds-Tag (Al Quds steht arabisch für Jerusalem), jeweils am Ende des Ramadan und ebenfalls vom Iran eingeführt, der sich gegen die israelische Besetzung Jerusalems bzw. die Existenz Israels überhaupt richtet und auch gegen die USA als Schutzmacht Israels. Jedes Jahr lassen aus diesem Anlass Demonstranten, angeführt von der libanesischen Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird, ihrem Hass auf Israel und ihrem unerträglichen Antisemitismus freien Lauf, auch in Deutschland, wo die Hisbollah allerdings seit 2020 verboten ist. Wie die Israelis ihre feindselige Umgebung und all den Hass aushalten, weiß ich nicht, wahrscheinlich ist Verdrängung ihre Überlebenstechnik... In den Straßen von Tel Aviv jedenfalls verspürt man pure Lebensfreude, was vielleicht nur die Oberfläche sein mag…

Über die Rambam Street, die hier Fußgängerzone ist, verlassen wir den Carmel-Markt und gehen zurück zur Allenby Street, auch eine quirlige und sehr interessante Straße mit vielen Läden und urbanem Charakter. Es ist sehr heiß heute, ungewöhnlich für Oktober, wie uns später eine junge Israelin erzählt, mit der wir an einer Bushaltestelle ins Gespräch kommen. Deshalb machen wir kurze Zeit später schon wieder Pause in einer sehr guten Bäckerei mit einem interessanten Angebot an Broten und anderen Leckereien und stärken uns mit Kaffee und allerlei süßen und herzhaften Köstlichkeiten… So erfrischt laufen wir weiter zum Levinsky-Gewürzmarkt, auch schön, aber nicht so spannend wie der Carmel. Anschließend gehen wir zum zentralen Busbahnhof, um zu erkunden, wo die Sheruts abfahren, eine Art Sammeltaxi und am Sabbat die einzige Möglichkeit mit einem arabischen Fahrer nach Jerusalem zu kommen. Der Busbahnhof hat offenbar schon mal bessere Zeiten gesehen. Das riesige Gebäude geht über mehrere Etagen, im unteren Bereich befindet sich ein verlotterter Textilmarkt, auf den anderen Stockwerken sieht es ebenso trostlos aus. Die meisten Rolltreppen funktionieren nicht mehr, auf den unsauberen, stinkigen Toiletten fühlen sich Kakerlaken sehr wohl. Dieses desolate Gebäude will so gar nicht zu dem hippen Tel Aviv passen. Die Abfahrtstelle für die Sheruts finden wir, sind uns aber noch nicht sicher, ob wir uns den möglicherweise waghalsigen Fahrkünsten eines Minibus-Fahrers anvertrauen wollen, damit haben wir in Asien sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Dann fahren wir mit dem Bus ins südlich von Tel Aviv gelegene Jaffa, namensgebend für die bekannten Orangen, die einst von hier aus in alle Welt verschifft wurden. Der Ort war früher mehrheitlich arabisch bewohnt, das ist lange her, aber das orientalische Flair ist geblieben, die Stadt hat mit ihren verwinkelten, schmalen Gassen eine ganz andere Atmosphäre als das moderne Tel Aviv, mit dem es 1950 zu einer Stadtgemeinde zusammengeschlossen wurde.

Jaffa fiel erst im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitskrieg 1947 bis 1949 an Israel. Die UNO hatte 1947 für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat gestimmt. Die Zionisten akzeptierten den Teilungsplan im Prinzip, die Araber jedoch lehnten ihn ab, sie bestritten das Existenzrecht Israels und beanspruchten den heiligen Boden, auf dem sich der jüdische Staat etablieren sollte, ausschließlich für sich, heftige Kämpfe folgten. 1948 schließlich beendeten die Briten ihr Mandat über Palästina und zogen ab, es folgte die Unabhängigkeitserklärung Israels am 14. Mai 1948. Umgehend marschierten mehrere arabische Staaten, Syrien, Ägypten, Irak, Jordanien und der Libanon, in Palästina ein, um den gerade erst entstehenden jüdischen Staat schnellstmöglich wieder Geschichte werden zu lassen. Aber die Arabische Liga war schlecht organisiert und die einzelnen Staaten verfolgten zum Teil ihre eigenen Interessen, während die Israelis auf einen Krieg bestens vorbereitet und hoch motiviert waren, ihre neue Heimat zu verteidigen. Das Ergebnis ist bekannt, Israel ging als Sieger aus diesem Konflikt hervor und konnte sein Staatsgebiet im Vergleich mit dem ursprünglichen UN-Teilungsplan sogar erheblich erweitern. Auch Jaffa geriet damals unter israelische Kontrolle, viele der palästinensischen Bewohner flohen daraufhin in den ägyptischen, heute von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen, in der Annahme, bald wieder zurückkehren zu können, diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Einst die wichtigste Stadt Palästinas, ist Jaffa heute mehrheitlich jüdisch, es wohnen aber auch noch Araber hier, was die Stadt zu einer der wenigen in Israel macht, wo Juden und Palästinenser noch gemeinsam leben.

Unser Bus hält direkt am sogenannten Flohmarkt, der, aus einzelnen Geschäften bestehend, wohl an arabische Souks erinnern soll. Für unseren Geschmack sind die Läden aber ein bisschen zu herausgeputzt, um orientalisches Flair zu verströmen, teilweise auch sehr teuer. Zahlungskräftige Touristen können sich hier zu gepfefferten Preisen mit Teppichen, Kelims, Antiquitäten und anderen Luxus-Souvenirs eindecken, es soll aber freitags auch einen richtigen Flohmarkt mit Straßenständen geben. Ansonsten ist die Altstadt von Jaffa zwar ein echtes Schmuckstück, wirkt aber zum Teil fast ein bisschen zu perfekt, geradezu museal. Die wunderschön restaurierten Gebäude beherbergen hippe Designerläden, Kunstgalerien, schicke Boutiquen, Restaurants und Cafés, nichts für schmale Geldbeutel jedenfalls. Wir schlendern durch die schönen Gassen und gehen zu einem Hügel hinauf, von dem aus man einen phantastischen Blick auf die Skyline von Tel Aviv und den Stadtstrand hat. Dann steigen wir auf gepflegten Wegen zur Al-Bahr-Moschee und weiter zur Strandpromenade ab und laufen direkt am Meer vorbei zurück nach Tel Aviv. Leider hat die Zeit nur für einen flüchtigen Eindruck von Jaffa gereicht. Im House of Hummus in der Allenby Street nahe dem Carmel-Markt, wo jetzt kurz vor 18 Uhr schon fast alles schließt, bekommen wir noch ein sehr leckeres Abendessen, dann fahren wir mit dem Bus zurück nach Giv‘atayim.

 

 

Auf dem Carmel-Markt in Tel Aviv

 

 Imbiss auf dem Carmel-Markt

 

 

  Kalorienreiche Verführungen auf dem Carmel-Markt: Halva und Baklava

 

 Carmel-Markt


 Spätes Frühstück im "Shukshuka" auf dem Carmel-Markt



  
Shakshuka, das typische israelische Frühstück


 

 Leckereien in einer Bäckerei
 

 

 Der osmanische Uhrenturm am Ortseingang von Jaffa

 

 Blick von Jaffa auf die Skyline von Tel Aviv

 

  
Der Stadtstrand von Tel Aviv



 Abendessen im "House of Hummus"

 



Am nächsten Morgen steuern wir als erstes wieder den Carmel-Markt an, wo es heute, am beginnenden Sabbat, noch voller ist als gestern. Wir frühstücken Sabich, lecker gefülltes Pita-Brot, im Imbiss „Panda Pita“ in der Malan Street, einer Seitengasse des Carmel. Dann gehen wir durch den belebten Rothschild Boulevard Richtung Neve Tzedek, einem der ältesten Stadtviertel von Tel Aviv, das 1887 als erste jüdische Gemeinde außerhalb von Jaffa gegründet wurde. Wie in der Altstadt von Jaffa gibt es auch hier viele edle kleine Läden, Boutiquen und Galerien, die Kunst und Kunsthandwerk, schicke Kleidung, Schmuck etc. anbieten. Es macht Spaß, durch die Hauptgasse, die Shabazi Street, mit ihren vielen historischen Bauten zu flanieren. Wir lassen uns zu einem kreativen Eis bei „Anita“ verführen und gehen dann an der Strandpromenade entlang zurück zum Carmel. Da heute ca. eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang der Sabbat beginnt und schon ab 16 Uhr keine Busse mehr fahren, müssen wir eine Entscheidung treffen: vorzeitig mit dem Bus zurück oder zu Fuß, was machbar, aber weit ist, ca. 5 km. Wir entscheiden uns für letzteres, die Cafés und Restaurants um den Carmel sind noch brechend voll, das Wetter ist perfekt, warum also sollten wir jetzt schon in unserem kleinen Zimmer hocken?? Wir trinken noch einen Kaffee und genießen die Nachmittagssonne. Als wir uns am frühen Abend auf den langen Rückweg machen, sind die meisten Geschäfte bereits geschlossen und auf den Straßen ist es deutlich ruhiger, Privatautos und Taxis sind im eher säkularen Tel Aviv, wo man es mit dem Sabbat allgemein nicht so genau nimmt, aber schon noch unterwegs. Bei unserem Fußmarsch kommen wir an Sarona vorbei, einem Stadtviertel deutschen Ursprungs, das eigentlich abgerissen werden sollte, weil man mit diesem deutschen Erbe aus verständlichen Gründen haderte, zumal die Gründer von Sarona, Pietisten aus Baden-Württemberg und Anhänger der Templergesellschaft, die sich 1871 genau an dieser Stelle niederließen, um eine landwirtschaftliche Kolonie zu errichten und das Christentum ins Heilige Land zu bringen, sich während der Nazizeit zum Teil als gar nicht so fromm herausstellten und Hitler huldigten, hier wurde Führers Geburtstag gefeiert, hier wehten Hakenkreuzfahnen….. Kein Wunder also, dass man sich in Tel Aviv mit diesem Erbe schwer tat. Gleichwohl benutzte die israelische Regierung nach der Staatsgründung die Häuser der Templer eine Zeit lang als Büroräume, danach war der Bereich lange militärisches Sperrgebiet. Das alles erfahren wir bei einem kurzen, spannenden Rundgang über das ehemalige Templergelände, denn nach langem Hin und Her wurden ab 2006 37 historische Bauten originalgetreu restauriert. Die „Gesellschaft für Denkmalschutz des israelischen Erbes“ hat hartnäckig für die Erhaltung Saronas gekämpft, nachdem in den verlassenen Häusern mehr zufällig die mit Schablonen aufwendig angefertigten Wandbemalungen der Templer entdeckt worden waren. So erstrahlen die früheren, heute denkmalgeschützten Häuser der evangelischen Freikirchler, in denen jetzt Boutiquen, Cafés und Restaurants untergebracht sind, wieder in altem Glanz, genauso wie sie oder vielleicht sogar besser als sie von den Templern nach ihrer Vertreibung zurückgelassen wurden. Jedes Haus ist mit Informationstafeln versehen, es gibt sogar ein Besucherzentrum. Modern ist die Sarona-Markthalle mit erlesenen Lebensmitteln, internationalen Restaurants und Sterneköchen, in die wir aber nur noch einen Blick werfen können, bevor sie wegen Sabbat um 17 Uhr vorzeitig schließt. Nach einem langen Fußmarsch erreichen wir schließlich Giv‘atayim, zu unserer Überraschung haben auch hier die kleinen Läden schon geschlossen, obwohl der Sabbat erst später beginnt. Gerold bangt um sein kühles Abendbier nach diesem heißen Tag, da sehen wir eine Frau mit dicken Einkaufstüten und gehen in die Richtung, aus der sie gekommen ist. Tatsächlich entdecken wir kurze Zeit später einen AM:PM-Shop, eine Kette, die wie einige andere auch am Sabbat bis spät in der Nacht geöffnet hat. Den Abend verbringen wir auf der wunderschönen Dachterrasse, die wir auch benutzen dürfen, und genießen die phantastischen Blicke auf das nächtliche Tel Aviv. Mit unserer Gastgeberin haben wir mittlerweile vereinbart, dass wir um eine Nacht verlängern, sie hat glücklicherweise für den Samstag keine weitere Reservierung, in Jerusalem haben wir schon Bescheid gesagt, dass wir einen Tag später kommen, eine Übernachtung müssen wir also doppelt bezahlen, haben uns damit aber auch sehr viel Stress erspart.

 

 

  Frühstück bei Panda Pita auf dem Carmel-Markt

 

 

  
 Sabich

 


Sarona - hier ließen sich 1871 die Templer aus Baden-Württemberg nieder



Unsere Dachterrasse in Tel Aviv


 

 Blick von der Dachterrasse: Abendstimmung über Tel Aviv


Am nächsten Morgen brechen wir zu Fuß ins Zentrum auf, Busse fahren erst wieder am Abend. Die Hauptstraßen sind stärker befahren, mit Privatautos und Taxis, die Nebenstraßen dagegen sind fast autofrei und menschenleer, alle Läden bis auf AM:PM und Super Yuda haben geschlossen. Als wir uns dem Zentrum nähern, ändert sich das Bild. Zwar haben auch hier alle Läden zu, den Carmel-Markt eingeschlossen, aber etliche Restaurants  und Cafés sind geöffnet und gut besucht, auch auf den Straßen ist einiges los. Nach einem leckeren Frühstück im House of Hummus gehen wir gleich weiter zum Stadtstrand, denn heute ist Baden im Mittelmeer angesagt. Hier ist von Feiertagsruhe gar nichts zu spüren, im Gegenteil: Offenbar strömt die ganze Stadt am Sabbat ans Meer, die Strandkörbe sind besetzt, Cafés und Restaurants überfüllt. So sieht Sabbat im säkularen Tel Aviv aus! Wir gehen abwechselnd schwimmen, es ist so heiß wie an einem Hochsommertag in Deutschland. Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Rückweg, stoppen in der King George Street nahe dem Carmel im Restaurant Miznon für ein hervorragendes Sabich und zweigen dann bald in die Dizengoff Street ab, weil wir zumindest noch einen kleinen Eindruck vom Bauhauserbe Tel Avivs bekommen möchten. In keiner anderen Stadt der Welt stehen so viele Bauhausgebäude wie in Tel Aviv, einige davon haben wir heute Morgen auf dem Hinweg auf dem Rothschild Boulevard gesehen, weitere bekannte befinden sich in der Umgebung des Dizengoff Square, dem Zentrum der so genannten „Weißen Stadt“, die als Bauhauserbe schon lange UNESCO-Weltkulturerbe ist.  Viele deutsch-jüdische Architekten der Bauhausschule und von dieser Idee inspirierte Juden aus Osteuropa flohen in den 30er Jahren vor den Nazis, die den Stil als entartet verunglimpften, in die noch junge Stadt Tel Aviv und brachten die kühle Architektur mit, die für die Bauhausschule so charakteristisch ist. Sie entwickelten in Tel Aviv ihren eigenen, sogenannten internationalen Stil, über 4000 so inspirierte Häuser gibt es hier. Am kreisrunden Dizengoff Square geht es gemütlich zu, viele Cafés haben geöffnet, Kinder spielen an der Fontäne in der Mitte des Platzes, die Erwachsenen sitzen plaudernd auf den bereitgestellten Stühlen. Auch wir machen eine Pause, um die Bauhausgebäude zu betrachten. Durch die Frishman Street gehen wir dann weiter zum großen Yitzchak Rabin Square, einem typischen Aufmarschplatz, der für besondere Events, Paraden, Feiern, Demonstrationen etc. genutzt wird. Am 4. November 1995 fand hier eine Friedensdemonstration statt, bei der auch Premierminister Rabin anwesend war. Als er von der Bühne zurück zu seinem Auto ging, wurde er von einem fanatischen, ultrarechten Studenten erschossen, der Rabins Engagement für den Friedensprozess im Nahen Osten und den Ausgleich mit den Palästinensern als Verrat an Israel empfand. Am Schauplatz des Attentats gibt es eine Gedenkstätte, die wir uns anschauen. Dann machen wir uns endgültig auf den Heimweg, wieder vorbei am Sarona-Viertel, wo heute sehr viel los ist. Familien picknicken auf dem perfekten Rasen der gepflegten parkähnlichen Anlage, Cafés und Restaurants sind gut gefüllt und sogar die Markthalle hat geöffnet. Das einstige Zuhause der schwäbischen Pietisten ist heute ein Ausflugsziel und angesagtes Ausgehviertel, aber eines der besonderen Art. Umgeben von Wolkenkratzern mutet dieses perfekt restaurierte deutsche Miniaturdorf mitten in Tel Aviv mit seinen niedrigen Häusern und ziegelroten Dächern wie ein Kuriosum an. Wir finden es höchst interessant und spannend, durch dieses schwäbische Dorf zu spazieren, die Einheimischen zieht vielleicht nur das besondere Ambiente an. Wir gönnen uns noch ein Eis, bevor wir die letzten Kilometer nach Giv’atayim in Angriff nehmen. Unser Tel Aviv-Besuch ist damit schon beendet, vieles haben wir noch nicht gesehen, Grund genug, noch einmal wiederzukommen.
 

 

Stadtstrand in Tel Aviv am Sabbat

Strandpromenade von Tel Aviv

 

 Eine "Sukka" in einem Park in Tel Aviv - anlässlich des siebentägigen Laubhüttenfests "Sukkot" werden draußen solche Hütten aufgestellt, traditionell allerdings mit Dächern aus Stroh, Zweigen, Laub oder ähnlichem Material

 

 
Dizengoff Square: Im Hintergrund ist ein Bauhaus-Gebäude zu sehen

 



Yitzchak Rabin Square: Gedenkstätte am Ort des Attentats auf Yitzchak Rabin

 

 

 Sarona am Sabbat
 



 
Der letzte Abend in Tel Aviv


Jerusalem: Sonntag, 20.10.2019 bis Sonntag, 27.10.2019


 
Nach einer knappen Stunde Busfahrt kommen wir am frühen Vormittag in Jerusalem an. Schon am Busbahnhof fallen uns die ultraorthodoxen Juden auf, leicht erkennbar an ihrer Kleidung und ihrer Haar- und Kopftracht. Die Männer tragen Schläfenlocken, dunkle Kleidung, schwarze Hüte, die Frauen eine Art Turban auf dem Kopf und sehr züchtige Kleidung, meist Röcke und hochgeschlossene Blusen. Die große Anzahl von Kindern ist ebenfalls ein Indiz für strenggläubige jüdische Familien. Zuletzt oder zuerst haben wir ultraorthodoxe Juden, die Männer oft auch mit langen Bärten, am Flughafen und im Zug Richtung Tel Aviv gesehen, im Stadtbild von Tel Aviv dagegen waren sie praktisch nicht präsent, zumindest nicht im Zentrum.


Mit der Straßenbahn erreichen wir schnell die Altstadt und durch das „Neue Tor“ nach einem kurzen Fußweg unsere Unterkunft im christlichen Viertel der Altstadt. Uns erwartet eine kleine Wohnung im Parterre, die zum Gebäude einer evangelischen Kirche gehört, im Obergeschoss finden die Messen statt - wir übernachten also in einem Gotteshaus! Auch wenn unsere Unterkunft bescheiden und etwas dunkel ist, sind wir doch hochzufrieden, wir wohnen mitten in der Altstadt, nur einen Katzensprung von der Grabeskirche und anderen religiösen Stätten entfernt. Gleich um die Ecke befinden sich kleine Lebensmittelläden und eine Bäckerei, aus der es jeden Morgen köstlich nach Frischgebackenem duftet. Wir richten uns ein und ziehen dann los. Durch die engen, verwinkelten, sehr sauberen und treppenreichen Gassen der Altstadt gehen wir zurück zum „Neuen Tor“ und dann zum Mittagessen in die moderne Neustadt, wo Gerold ein gut bewertetes Restaurant ausfindig gemacht hat. Wir bestellen Hummus und Falafel, beides sehr lecker. Für gläubige jüdische Gäste des Restaurants steht auf dem Bürgersteig eine Laubhütte bereit, denn wir sind mitten im „Sukkot“, dem siebentägigen Laubhüttenfest, in Israel angekommen, das jeweils im September oder Oktober stattfindet und an die Wüstenwanderung der Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten erinnern soll. Für 2019 ist der 20. Oktober der letzte Sukkottag. Schon in Tel Aviv waren uns die „Sukkas“ aufgefallen, wie die Hütten auf Hebräisch heißen. Für die Dauer des Laubhüttenfests stehen sie nach genauen Vorschriften errichtet im Freien, zu einer Seite hin offen und mit Dächern aus Stroh, Zweigen, Laub, Palmwedeln o.ä. Gläubige Juden essen in den Sukkas, strenggläubige schlafen sogar darin. Nach dem Essen streifen wir noch eine Weile durch die geschäftige Fußgängerzone der Neustadt, hier sind die säkularen Israelis unter sich, ultraorthodoxe Juden sieht man kaum. Es ist kühler als in Tel Aviv, aber das empfinden wir als angenehm, in Tel Aviv war es fast schon zu heiß. Nach einer Verschnaufpause in unserer Unterkunft ziehen wir später noch einmal los und erkunden die Altstadt, die ganz auf Touristen eingestellt ist, die sich in Massen durch die Hauptgassen der Souks und die Via Dolorosa zwängen. Es gibt unzählige Souvenirshops, Cafés, Imbisse, Restaurants, Mini-Supermärkte etc. Wir lassen uns einfach nur treiben, geraten dabei ins jüdische Viertel und stehen plötzlich rein zufällig am oberen Eingang zur Klagemauer. Nach dem Passieren der Sicherheitsschleuse brauchen wir nur noch die Treppen hinunterzusteigen, dann kommt der große Moment und wir sehen zum ersten Mal die Klagemauer, die heiligste Stätte des Judentums. Sie ist der westliche Teil der Stützmauer des Tempelbergs, auf dem sich der Felsendom mit seiner weltweit bekannten goldenen Kuppel und die Al-Aqsa-Moschee befinden, und wird deshalb im Allgemeinen und auch von den Israelis Westmauer genannt, nur im Deutschen benutzt man die Bezeichnung Klagemauer. Die Juden verehren sie als Relikt des Zweiten Jüdischen Tempels, der 70 n. Chr. von den Römern zerstört worden war. Übrig blieb nur die heutige Klagemauer, die dicken Steinblöcke im unteren Mauerbereich stammen noch aus der Herodes-Zeit, als mit dem Bau des Zweiten Jüdischen Tempels begonnen wurde. Erst unter osmanischer Herrschaft, also ab dem 16. Jahrhundert, entwickelte sich die Klagemauer zum wichtigsten Wallfahrtsort der Juden, damals stand ihnen zum Beten aber nur eine ca. 3 m breite Gasse zur Verfügung, die die Mauer von den Wohnhäusern des marokkanischen Viertels trennte, was natürlich für Unmut bei den Juden sorgte, da größere Menschenansammlungen z.B. aus Anlass von religiösen Feiertagen nicht möglich waren. Die Moslems andererseits waren nicht begeistert, dass sich mitten in ihrem Viertel eine jüdische Pilgerstätte zu etablieren begann. In der Folge kam es von beiden Seiten immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg 1948/49 kam Ost-Jerusalem mit der Altstadt unter jordanische Verwaltung, fast 20 Jahre lang hatten die Juden keinen Zugang zu „ihrer" Klagemauer, bis im Sechstagekrieg 1967 schließlich Israel die Teilung der Stadt gewaltsam beendete und die Kontrolle über ganz Jerusalem übernahm. Für die Juden muss es ein bewegender Moment gewesen sein, endlich wieder an der Klagemauer zu stehen. Für die muslimischen Bewohner des marokkanischen Viertels jedoch begann ein Alptraum, denn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden ihre Wohnhäuser unter Einsatz von Bulldozern abgerissen, sie selber aufgefordert, das Viertel zu verlassen…. So entstand der Platz vor der Klagemauer, der heute sozusagen als Freiluftsynagoge benutzt wird und auch für Angehörige anderer Glaubensrichtungen rund um die Uhr zugänglich ist, unterteilt in einen größeren Gebetsbereich für Männer und einen kleineren für Frauen. Männer müssen eine Kopfbedeckung tragen, z.B. eine Kippa, die man an der Zugangsrampe auch kostenlos bekommen kann. Im Männerbereich beten viele ultraorthodoxe Juden mit Schläfenlocken und hohen schwarzen Hüten ganz nah an der Mauer, wobei sie mit dem Oberkörper hin- und herwippen. „Schokeln“ nennt man das im Jiddischen (von Deutsch: schaukeln), und je mehr man „schokelt“, desto inbrünstiger ist wohl das Gebet. Manche Männer tragen auch einen Schtreimel, eine Kappe mit einem breiten Pelzrand, die als festliche Kopfbedeckung von bestimmten osteuropäischen Juden zu besonderen Anlässen aufgesetzt wird. Wir gehen getrennt bis an die Mauer heran, in deren Ritzen zusammengefaltete Zettel stecken, auf denen Fürbitten, Gebete, Danksagungen o.ä. notiert sind. Es ist schon ein besonderer Moment, den wir mit Ehrfurcht genießen. Als es zu dämmern beginnt, verlassen wir das Gelände und steigen über Treppen Richtung Hurva Square hoch, einem sehr schönen Platz mitten im Jüdischen Viertel, an dem die Hurva Synagoge liegt. Hier werden wir in den folgenden Tagen noch oft für eine Pause sitzen und die friedliche, entspannte Stimmung genießen. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Jaffa-Tor, einem von sieben Toren, durch die man in die Altstadt gelangen kann, das achte, das sogenannte „Goldene Tor" zum Ölberg hin ist verschlossen. Das Besondere am Jaffa-Tor ist seine L-förmige Anlegung, d.h. im Innern gibt es einen 90-Grad-Knick, was es Angreifern erschweren sollte, in die Stadt zu gelangen. Außerdem klafft neben dem Tor eine Lücke in der Stadtmauer, die für Autos passierbar ist und 1898 anlässlich des Jerusalem-Besuchs von Kaiser Wilhelm II. geschlagen wurde, der mit einem Pferd in die Altstadt reiten wollte… Am Jaffa-Tor geht es nicht nur wegen des regen Auto- und Taxiverkehrs immer geschäftig zu, gleich nebenan liegt die Zitadelle, von hier aus gelangt man ins christliche und armenische Viertel und auf die Stadtmauer, dahinter gibt es viele kleine Läden und eine Touristeninformation, davor eine Art Aussichtsterrasse zur Neustadt. Wir gehen außen an der Stadtmauer entlang zum Neuen Tor und dann zurück in unsere Unterkunft. Das war schon mal ein interessanter erster Tag.

 

 "Unsere" Gasse in der Altstadt von Jerusalem: Links im Hintergrund sieht man den Eingang zu unserer Unterkunft

 

In der Neustadt von Jerusalem

 

 

Eine typische israelische Mahlzeit: Hummus mit Blumenkohl und Pilzen, Falafel, Pita-Brot und Pickles

 

 Die Hauptgassen der Altstadt sind oft sehr voll, insbesondere die Via Dolorosa....

 

 ..... in den Nebengassen dagegen oder früh am Morgen ist es in der Altstadt deutlich leerer

 

Dito


 

Die Klagemauer, die heiligste Stätte des Judentums: Gerold in Grün im Gebetsbereich der Männer, mit einer Kopfbedeckung hat hier jeder Zutritt, unabhängig von der Religionszugehörigkeit



 Dito 
 


 
Betende an der Klagemauer


 Dito

 

 

 Orthodoxe Juden mit Schläfenlocken und einem Schtreimel als Kopfbedeckung, in den Mauerritzen stecken Zettel, auf denen Fürbitten, Danksagungen o.ä. notiert werden


 Die Klagemauer ist die westliche Stützmauer des Tempelbergs, was man hier gut erkennen kann. Die Holzbrücke in der Mitte führt zum Mughrabi-Tor oberhalb der Mauer, nur durch dieses Tor dürfen Nicht-Muslime den Tempelberg betreten.

 

Am nächsten Morgen sind wir schon vor sieben Uhr zur Grabeskirche unterwegs, die nicht weit entfernt von unserer Unterkunft liegt. Um diese Zeit beginnt es zu dämmern, die Läden in der Altstadt sind noch geschlossen, die Gassen fast menschenleer. Fast jeden Morgen führt unser erster Gang zur Grabeskirche und immer fühlen wir uns zu dieser frühen Stunde etwas unwohl in den engen Gassen. Zwar gilt Israel, abgesehen von der Anschlagsgefahr als sicheres Reiseziel, andererseits hatte uns unsere Gastgeberin in Tel Aviv ermahnt, im Labyrinth der Altstadt von Jerusalem vorsichtig zu sein, da sei es schon mal zu Übergriffen gekommen. An und auch in der Grabeskirche ist noch wenig los, an allen anderen Tagen wird das anders sein, da belagern vor allem Gruppentouristen schon zu sehr früher Stunde den Vorplatz und das Kircheninnere und zu späteren Tageszeiten wird der Andrang geradezu unerträglich. Von außen wirkt die Grabeskirche, eine der heiligsten Stätten des Christentums, ziemlich unspektakulär, erst drinnen entfaltet sie ihre ganze Pracht. Der Kircheninnenraum ist groß und besteht aus vielen Kapellen und Bereichen für die verschiedenen christlichen Konfessionen, von denen das Gotteshaus als Simultankirche gemeinsam genutzt wird: Römisch-Katholische, Armenisch-Orthodoxe, Griechisch-Orthodoxe, die zusammen die Hauptverwaltung innehaben, und Syrisch-Orthodoxe, Kopten und Äthiopisch-Orthodoxe teilen sich die Kirche. Dieser Status quo trat 1852 durch ein osmanisches Gesetz in Kraft und ist auch heute noch gültig, vorausgegangen waren jahrhundertelange Streitigkeiten, wem denn nun was in der Kirche gehöre und erlaubt sei. Die Rivalitäten bestehen allerdings fort, was z.B. Renovierungsarbeiten erschwert, die den Status quo verändern könnten , auch über die Gebetsordnung wird gerne sehr unchristlich gestritten, was mitunter sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den Mönchen führt… Die Schlüsselgewalt über die Grabeskirche haben wohl deshalb schon seit Jahrhunderten zwei muslimische Familien inne, die mitunter auch als Schlichter auftreten. Wir selber haben einmal miterlebt, wie vor und hinter dem Heiligen Grab Priester verschiedener Konfessionen gegeneinander ansangen!! Heute Morgen aber ist alles friedlich und noch relativ still, es ist unser schönster Aufenthalt in der prächtig mit Mosaiken, bunten Lampen, Schreinen, Altären etc. geschmückten Kirche, das diffuse Licht, flackernde Kerzen und der Duft von Weihrauch tragen auch dazu bei, eine besondere Stimmung zu schaffen, die ich, obwohl nicht religiös, an christlichen Gotteshäusern schon immer geschätzt habe. Leider geht die einzigartige Atmosphäre an den folgenden Tagen komplett im Massenandrang und Blitzlichtgewitter von Kameras und Handys unter. Um alledem zu entgehen, gibt es für Jerusalem-Pilger auch die Möglichkeit, sich nachts in der Kirche einschließen zu lassen, allerdings nur aus religiösen Motiven und ohne Schlafplatz, ganz sicher eine in vielerlei Hinsicht unvergessliche Erfahrung!

Die Grabeskirche ist eng mit dem Leiden Jesu verbunden, sie beherbergt den Ort seiner Bestattung und Auferstehung, das Heilige Grab, und zeigt die Stelle an, wo er gekreuzigt wurde und starb, den Golgotafelsen oder Kalvarienberg, auf dem die Grabeskirche errichtet wurde. Deshalb endet hier auch die Via Dolorosa, der Leidensweg Jesu, den er gegangen sein soll, als er sein Kreuz hinauf zum Kalvarienberg trug und dem man in der Altstadt von Jerusalem an 14 Kreuzwegstationen vorbei folgen kann, die letzten befinden sich in der Grabeskirche. Lange wurde gerätselt und diskutiert, aber inzwischen geht man davon aus, dass Grab und Hinrichtungsstätte tatsächlich auf dem Gelände der heutigen Grabeskirche zu lokalisieren sind.

Wir betreten die Kirche durch den Haupteingang, der unmittelbar zum Salbungsstein führt, wo der Salbung und Verhüllung von Jesu Leichnam gedacht wird – besonders ergriffene Gläubige tun das, indem sie sich über den Stein werfen. Rechts davon erklimmen wir über steile hohe Treppen die verschwenderisch geschmückte Golgota-Kapelle, die zweigeteilt ist, die linke Hälfte gehört der griechisch-orthodoxen Kirche, die rechte der römisch-katholischen. Unter dem orthodoxen Altar befinden sich zwei Löcher, durch die man den Golgotafelsen berühren kann, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Hier wie auch am Eingang zum Heiligen Grab bilden sich normalerweise lange Schlangen, aber wir haben Glück heute und können praktisch sofort zum Altar durchgehen. Wieder unten, wenden wir uns nach links zur Rotunde, in deren Mitte sich die Grabeskapelle mit dem Heiligen Grab befindet, überwölbt von der großen Kuppel der Grabeskirche. Vor der Kapelle haben sich schon viele Gläubige für die 7-Uhr-Messe versammelt, wir schauen eine Weile zu und setzen dann unseren Rundgang fort, denn der Zutritt zum Heiligen Grab ist erst nach dem Gottesdienst möglich. Im Wandelgang hinter Rotunde und Katholikon, dem zurzeit abgesperrten Mittelschiff, gehen wir noch an mehreren schönen Kapellen und Schreinen vorbei. Über Treppen gelangen wir schließlich zu der auf tieferem Niveau gelegenen, prachtvoll ausgestatteten armenischen Helena-Kapelle und über eine weitere Treppe zur römisch-katholischen Kreuzauffindungs-Kapelle, wo das Kreuz Jesu gefunden worden sein soll. Beide Kapellen haben wir quasi für uns alleine, was angesichts des normalerweise sehr großen Andrangs von Touristen und Pilgern schon etwas Besonderes ist. Zum Schluss schauen wir dann noch in die griechisch-orthodoxe Adamskapelle, damit ist unser Rundgang durch die beeindruckende Grabeskirche beendet. Weil der Gottesdienst an der Grabeskapelle immer noch andauert, verzichten wir heute auf den Besuch des Heiligen Grabs und gehen zum Frühstück erst einmal in die Neustadt. Wir wundern uns, dass es auf den gestern so geschäftigen Straßen sehr still ist, bis wir schließlich realisieren, dass nicht nur alle Geschäfte geschlossen sind, sondern auch die Straßenbahn nicht fährt und keine Autos unterwegs sind – wie am Sabbat! Später finden wir heraus, dass heute Sh’mini Azeret ist, ein jüdischer Feiertag, der unmittelbar auf das Laubhüttenfest folgt. Aber wir sind ja in Jerusalem, da geht man an solchen Tagen einfach in den östlichen, arabischen Teil der Stadt, also laufen wir zum Damuskustor, gleich gegenüber breitet sich das geschäftige arabische Viertel aus, hier hat alles geöffnet, auch Busse und Autos fahren. Wir essen Shawarma und frisch zubereitete Kibbeh an einem Straßenstand, beides sehr lecker, und gehen dann durchs Herodestor in den arabischen Teil der Altstadt, auch hier ist alles ganz normal, in einem Café bekommen wir sehr guten, mit Kardamom gewürzten Kaffee. Für heute steht noch die Via Dolorosa auf unserem Programm, der Weg, den Jesus mit seinem Kreuz zum Kalvarienberg gegangen sein soll, also weiter zum Löwentor im Osten der Altstadt, in dessen Nähe der Kreuzweg beginnt, der teilweise durch das muslimische Altstadtviertel führt. Die erste Station liegt in einer Schule und ist nur an bestimmten Tagen für Pilger zugänglich, heute nicht, aber wir schaffen es zu einem späteren Zeitpunkt im Gefolge einer Pilgergruppe auf das Gelände zu gelangen. Die weiteren Stationen liegen zum Teil in Gebäuden oder sie sind durch Metallschilder o.ä. in den Gassen gekennzeichnet. Wo die Via Dolorosa auf die Al-Wad-Straße trifft und scharf links abbiegt, liegt rechterhand das traditionsreiche, 1863 eröffnete Österreichische Hospiz, die älteste nationale Pilgerherberge im Heiligen Land. Hier kann man stilvoll übernachten, wenn man 170 Euro für ein Doppelzimmer bezahlen möchte, wesentlich billiger wird es im Schlafsaal. Wir werfen einen Blick in das altehrwürdige Gebäude, das auch ein Wiener Kaffeehaus mit k.u.k.-Flair beherbergt, und sind sehr angetan. Leider steht vor dem Café bereits eine lange Schlange an, deshalb streifen wir auf den verschiedenen Etagen nur durch die langen, blitzsauberen Flure mit interessanten Bildergalerien und steigen hoch zur Dachterrasse, von wo aus man einen phantastischen Blick auf die Altstadt hat. Vor dem Hospiz hat sich mittlerweile eine Gruppe von Juden mit Kippot versammelt, eskortiert von schwer bewaffneten Soldaten singen und tanzen sie, möglicherweise aus Anlass des Feiertages. Da wir uns mitten im arabischen Viertel befinden, wo gerade die Muezzins zum Gebet rufen, ist das schon eine ziemlich drastische Provokation. Für den weiteren Verlauf der Via Dolorosa heften wir uns an die Fersen einer amerikanischen Pilgergruppe, die an jeder Station verharrt und andächtig den Bibelstellen lauscht, die der Reiseleiter filmisch festgehalten vorträgt. Es ist historisch nicht belegt und eher unwahrscheinlich, dass man auf der Via Dolorosa wirklich in Jesu Fußstapfen wandelt, gleichwohl folgen jeden Tag wahre Karawanen von Pilgerströmen dem von Souvenirläden gesäumten Kreuzweg bis zur Grabeskirche, etliche mit einem Kreuz auf den Schultern, das abwechselnd getragen wird. Überall wird gebetet, aber eine wirklich spirituelle und feierliche Atmosphäre will bei diesem Ansturm nicht aufkommen.


Frühmorgens ist es in den Gassen der Altstadt noch leer
 


Die Grabeskirche, eine der heiligsten Stätten des Christentums - bei unserem ersten Besuch dort ist der Vorplatz ganz ruhig.



 

 Lampen über dem Salbungsstein im Eingangsbereich der Grabeskirche



Der Salbungsstein von der Golgota-Kapelle aus gesehen


In der Golgota-Kapelle: Der rechte Teil gehört der römisch-katholischen Kirche...


 

.......der linke Teil gehört der griechisch-orthodoxen Kirche. In den Glaskästen rechts und links kann man den Golgota-Felsen sehen, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Ich bin gerade dabei, den Felsen zu berühren.

 

Die zwei Öffnungen, durch die man den Felsen berühren kann.



 Vor dem Eingang zum Heiligen Grab findet jeden Morgen eine Messe statt.



In der Helena-Kapelle

 

Dito

 

Ecce-Homo-Bogen am Beginn der Via Dolorosa, dem Leidensweg, den Jesus gegangen sein soll, als er sein Kreuz zum Kalvarienberg trug.


 Blick von der Dachterrasse des Österreichischen Hospiz: Links hinten der Felsendom, vorne die Kirche der Schmerzen Mariä an der Kreuzwegstation III und IV.



Mitten im arabischen Viertel und unmittelbar neben dem Österreichischen Hospiz an der Via Dolorosa tanzt eine Gruppe von Juden, beschützt von schwer bewaffneten israelischen Soldaten.

 
 

Dito
 

 

In der Al-Wad-Straße, die vom Damaskustor ins arabische Viertel der Altstadt führt, sind israelische Soldaten immer präsent. Die Via Dolorosa verläuft ein kurzes Stück entlang der Al-Wad-Straße und biegt hier scharf nach rechts ab.

 

 

Dito

 


Eine Pilgergruppe in der Via Dolorosa - die Kreuze bekommt man beim einzigen Kreuzverleiher Jerusalems, einem Muslim, am Beginn der Via Dolorosa in der Verurteilungskapelle, sie wiegen zwischen 20 und 40 kg.

 

 

Via Dolorosa, Station VIII: Jesus tröstet die weinenden Frauen

 

 

Großer Andrang in der Via Dolorosa

 
  
Am Nachmittag ziehen wir noch einmal los, suchen und finden die syrisch-orthodoxe Markuskirche im armenischen Viertel, dem kleinsten der vier Altstadtviertel, die aber wegen Renovierung geschlossen ist. In der Nähe kann man über eine Eisentreppe sozusagen auf die Dächer von Jerusalem steigen, bei diesem kurzen Rundgang eröffnen sich ganz neue Perspektiven auf die Heilige Stadt. Unser nächstes Ziel ist die deutsche Lutherische Erlöserkirche im christlichen Viertel. Sie wurde für den deutschen Kaiser Wilhelm II. errichtet und 1898 vollendet. Da wir erst kurz vor der Schließung um 17 Uhr dort eintreffen, bleibt uns für eine Besichtigung nicht mehr viel Zeit, wir gehen gleich zur Hauptattraktion durch, dem Glockenturm, den man über 177 Stufen erklimmen kann, um eine sensationelle Aussicht über die Altstadt und zu den Kuppeln der nahegelegenen Grabeskirche hin zu genießen. Unter dem Kirchenschiff kann man sich noch Ausgrabungen und eine Ausstellung anschauen, die Zeit reicht aber nur noch für einen flüchtigen Eindruck. Nach einem kurzen Abstecher zur Klagemauer, die rund um die Uhr geöffnet ist, gehen wir zum Abendessen ins arabische Viertel in der Neustadt, durch das imposante Damaskustor, für mich das schönste aller Altstadttore. Es entstand unter osmanischer Herrschaft im 16. Jahrhundert und ist, wohl weil es im arabischen Viertel liegt, immer im Fokus schwer bewaffneter israelischer Soldaten, die im Eingangsbereich eine Art Stützpunkt haben. Zwar muss man fast überall in der Altstadt damit rechnen, auf bewaffnete Sicherheitskräfte zu treffen, die außerhalb der Stadtmauer auch manchmal auf Pferden patrouillieren, aber im Umfeld des Damaskustores ist ihre Präsenz besonders auffällig. Am Neuen Tor, das am schnellsten zu unserer Unterkunft führt, haben wir z.B. nie Kontrollen bemerkt. Als wir gegen 19 Uhr durch die Altstadt zurückgehen, sind die Gassen schon menschenleer. Das letzte Stück zu unserer Straße ist unheimlich, da dunkel und unbeleuchtet.

 

 

Die Aussicht vom Turm der Lutherischen Erlöserkirche auf die Altstadt ist atemberaubend: Hier geht der Blick zum Tempelberg mit dem Felsendom und zum Ölberg

 
 

 
Hier geht der Blick in die andere Richtung - links im Bild die Grabeskirche mit den beiden grauen Kuppeln

 

 

Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee von der Erlöserkirche aus, im Hintergrund der Ölberg mit dem jüdischen Friedhof rechts, den goldenen Zwiebeltürmen der russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kirche links von der goldenen Kuppel des Felsendoms und dem Turm der russischen Himmelfahrtskirche ganz oben auf dem Ölberg
 

 
Die Grabeskirche von der Lutherischen Erlöserkirche aus gesehen

 

 

Der Turm der Lutherischen Erlöserkirche ist einer der besten Aussichtspunkte in Jerusalem: Hier geht der Blick zum Muristan, einem Marktbereich, der schon von den Römern genutzt wurde - deutlich zu erkennen ist der Springbrunnen in der Mitte.
 
 
Ost-Jerusalem von der Erlöserkirche aus

 
 
 
 
Am Abend gehen wir - wie so oft - zur Klagemauer

 

Dito
 

 

Das Damaskustor in der Nordmauer der Altstadt führt ins arabische Viertel - für mich ist es das schönste Altstadttor.

 

 Abendessen im arabischen Teil der Neustadt gegenüber dem Damaskustor

 


Am nächsten Morgen sind wir wieder gegen halb 7 Uhr in der Grabeskirche, aber im Gegensatz zu gestern ist dort heute schon sehr viel los. Der Salbungsstein wird geradezu belagert, in der Golgotakapelle hat sich bereits eine Schlange von Leuten gebildet, dieden Felsen berühren möchten, am Heiligen Grab ist die Schlange noch länger, obwohl man die Grabeskapelle erst kurz vor 9 Uhr betreten kann. Wir gehen gleich weiter zur Klagemauer, ab 7.30 Uhr ist dort Einlass zum Tempelberg, den Touristen bzw. alle Nicht-Muslime nur durch das Mughrabi-Tor oberhalb der Klagemauer betreten können, das über eine Holzbrücke zu erreichen ist. Zu unserer Überraschung ist dort noch wenig los, wir hatten auch hier mit einer langen Schlange gerechnet, aber es sind nur ein paar Leute vor uns, auch die Sicherheitskontrollen verlaufen zügig. Schneller als gedacht stehen wir also auf dem Tempelberg, einem der heiligsten Orte der Welt und gleichzeitig ewiger Zankapfel. Drei Religionen ist der Tempelberg aus unterschiedlichen Gründen heilig, Juden, Muslimen und Christen. Den Juden, weil dort einst zwei jüdische Tempel standen, den ersten zerstörten die Babylonier 586 v.Chr., den zweiten die Römer 70 n. Chr., übrig blieben nur Reste der westlichen Stützmauer des antiken Tempelplateaus, die heutige Klagemauer und wichtigste Gebetsstätte der Juden. Legenden zufolge ist auf dem Tempelberg auch die Erschaffung Adams und Evas zu verorten und der Stammvater Abraham wurde angeblich hier auf seine Gottesfürchtigkeit getestet. Christen bringen den Tempelberg mit Jesus in Verbindung, er soll den jüdischen Tempel mehrfach aufgesucht haben. Den Muslimen ist der Tempelberg ebenfalls ein bedeutendes Heiligtum. Von hier aus soll der Prophet Mohammed auf einem Pferd zu seiner nächtlichen Himmelsreise gestartet sein. Über dem Felsen, der angeblich noch den Fußabdruck Mohammeds zeigt, wurde der Felsendom errichtet, mit der Al-Aqsa-Moschee gleich nebenan ist der Tempelberg nach Mekka und Medina die drittwichtigste Kultstätte des Islam. Auch wenn die muslimische Hoheit über den Tempelberg von den Israelis nicht angetastet wird und die Verwaltung einer islamischen Stiftung aus Jordanien obliegt, so hat doch Israel seit dem Sechstagekrieg 1967 die Souveränität über ganz Jerusalem, alleine das birgt schon genug Sprengstoff. Juden dürfen den Tempelberg zwar betreten, das tun aber ohnehin nicht viele, Ultraorthodoxe lehnen es seiner Heiligkeit wegen sogar ab, beten dürfen dort aber nur Muslime, auch der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee sind für Nicht-Muslime gesperrt.


Wir haben heute Morgen den Tempelberg fast für uns alleine, später wird es zwar etwas voller, aber der Andrang ist nicht zu vergleichen mit dem in der Grabeskirche oder in der Via Dolorosa, vielleicht haben wir auch einfach nur Glück. Mit uns ist auf dem großen, rechteckigen Plateau eine kleine Gruppe von Juden unterwegs, eskortiert von schwer bewaffneten israelischen Soldaten. Unseren Rundgang über das Gelände beginnen wir an der Al-Aqsa-Moschee, eine der ältesten Moscheen weltweit. Von außen wirkt sie zwar monumental, aber ziemlich schlicht, das Innere können wir uns leider nicht anschauen, als Ungläubigen bleibt uns der Zutritt verwehrt. Dann gehen wir weiter zum Felsendom, acht kurze Treppenaufgänge führen hinauf zur Plattform, auf der er steht, jede geschmückt mit freistehenden Arkaden. Errichtet wurde der Felsendom nicht als Moschee, sondern als Schrein für den Felsen, von dem aus der Prophet Mohammed in den Himmel fuhr. Es ist ein Glanzstück islamischer Baukunst, eines der schönsten Bauwerke, die wir je gesehen haben, prächtig mit blauen Keramikfliesen und der berühmten vergoldeten Kuppel geschmückt. Auch der kleine Kettendom daneben ist reich verziert. Wir können uns gar nicht losreißen von diesem wunderschönen Anblick, leider dürfen wir als Nicht-Muslime nicht ins noch prachtvoller ausgestattete Innere. Dann haben wir unseren Rundgang schon beendet und verlassen durch das Baumwolltor den Tempelberg wieder. Zeit für eine Pause im Wiener Café des Österreichischen Hospiz, wo es um halb elf Uhr noch still ist, als wir gehen, steht schon eine lange Schlange von bestimmt 20 Leuten an. Sachertorte und Apfelstrudel sind zwar nicht billig, aber auch wegen des besonderen Ambiente jeden Schekel wert. Für den Nachmittag steht die Stadtmauer auf unserem Programm. Zu osmanischer Zeit im 16. Jahrhundert erbaut, umschließt sie auf einer Länge von ca. vier Kilometern die nur knapp ein Quadratkilometer große Altstadt, im Südosten unterbrochen durch den Tempelberg. Auf zwei Abschnitten ist sie begehbar, wir nehmen uns heute die Nordroute vor, die wie die Südroute am Jaffator startet und von dort bis zum Löwentor verläuft. Zu Beginn sind die Blicke nicht so prickelnd, man schaut vor allem auf Antennen und Satellitenschüsseln und den Bewohnern voyeuristisch in die Hinterhöfe. Das ändert sich, als wir uns dem Damaskustor nähern und das arabische Viertel und der Tempelberg mit der goldenen Kuppel des Felsendoms ins Blickfeld rücken. Am Damaskustor steigen wir ab, der Rest des Weges ist, warum auch immer, gesperrt. Die meisten Sehenswürdigkeiten schließen spätestens um 17 Uhr oder früher, die Zeit reicht noch, um schnellen Schrittes zum Hurva Square im jüdischen Viertel zu eilen und auf den Turm der Hurva-Synagoge zu steigen, einst die Hauptsynagoge von Jerusalem, im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 komplett zerstört und erst zwischen 2005 und 2010 nach alten Plänen wieder aufgebaut. Der Blick vom Turm auf das jüdische Viertel und den Tempelberg ist phantastisch. Wir lassen den Tag in einem äthiopischen Restaurant in der Neustadt ausklingen. Ca. 140.000 äthiopische Juden leben in Israel, oft diskriminiert und als Juden 2. Klasse behandelt, ihre unverwechselbare Küche weiß man aber auch hier zu schätzen.  

 

 

 Morgens um halb sieben Uhr: Großer Andrang auf dem Vorplatz der Grabeskirche

 

 
Blick auf die Klagemauer von der Holzbrücke, die zum Mughrabi-Tor führt, dem einzigen Tor, durch das Nicht-Muslime den Tempelberg betreten dürfen
 

 

Auf dem Tempelberg: Zusammen mit uns besucht auch eine Gruppe von Juden das heilige Gelände...

 

 

........ eskortiert von schwer bewaffneten israelischen Soldaten (im Hintergrund die Al-Aqsa-Moschee)

 

 

Auf dem Tempelberg: Der Felsendom und der kleinere Kettendom direkt daneben


 

 Dito

 



Die weltbekannte goldene Kuppel des Felsendoms

 

 

Auf dem Plateau des Tempelbergs neben dem Felsendom

 
Dito

 

 

Mittagspause im arabischen Viertel der Neustadt mit Hummus, Falafel und Pita-Brot
 

 
Dito

 

 

 
.... und anschließend noch Kaffee und Kuchen im Österreichischen Hospiz






 
Apfelstrudel und Sachertorte im Wiener Kaffeehaus des Hospiz

 
 

K.u.k.- Flair im Österreichischen Hospiz
 

 
 
Wanderung auf der Altstadtmauer, nördlicher Teil: Blick zurück auf das Jaffator und die Zitadelle

 
 
 
Auf der Altstadtmauer: links die Neustadt, rechts die Altstadt

 

 
Blick von der Stadtmauer auf den Felsendom, im Hintergrund der Ölberg mit dem jüdischen Friedhof

 

 

Blick von der Mauer auf die Treppen, die zum Damaskustor führen, und ins arabische Viertel in der Neustadt

 

Blick von der Hurva-Synagoge auf die Kuppeln der Grabeskirche, rechts daneben der Turm der Lutherischen Erlöserkirche
 

 
Dito: Hier geht der Blick zum Felsendom und zum Ölberg mit der deutsch-evangelischen Himmelfahrtkirche  auf der Spitze

 
Blick ins Innere der Hurva-Synagoge

 



Am nächsten Morgen besuchen wir die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem etwas außerhalb des Stadtzentrums. Viel zu spät sind wir erst um halb elf Uhr dort, da ist es schon sehr voll, zu voll. Die Gedenkstätte wurde bereits 1953 eröffnet und danach immer weiter ausgebaut, sie ist Museum, Forschungszentrum und Archiv zugleich und erinnert an die über sechs Millionen jüdischen Opfer der Nazis. Wir schauen uns zunächst das zentrale Museum an, in dem die Geschichte der Judenverfolgung in Europa dokumentiert wird. Es ist überwiegend unterirdisch angelegt, quasi in den Berg gerammt. Von einem langen Gang zweigen Ausstellungssäle ab, die in chronologischer Reihenfolge jeweils verschiedene Kapitel der Judenverfolgung thematisieren, mit Fotos, Dokumenten, Filmen, Videos, persönlichen Dingen, die von Überlebenden gestiftet oder Habseligkeiten Getöteter, die in den Konzentrationslagern gefunden wurden. Bewegend sind die Videos, in denen Überlebende über die unvorstellbaren Greueltaten der Nazischergen in den Konzentrationslagern berichten, erschütternd die Schaukästen mit Schuhen und anderen Habseligkeiten der Opfer des Massenmordes, am schlimmsten die letzten Säle, in denen mit Fotos und Filmen gezeigt wird, wie respektlos die Leichen in den Massenvernichtungslagern beseitigt wurden, wie ausgemergelt die Überlebenden waren, viele starben noch nach der Befreiung, weil sie nicht in der Lage waren, Nahrung aufzunehmen. Am Ende gelangt der Besucher in die „Halle der Namen", wo als Erinnerung an jeden einzelnen Juden, der im Holocaust sein Leben verlor, Gedenkblätter aufbewahrt werden, jeweils mit kurzen biographischen Notizen. 600 Fotografien von Getöteten zeigt die kegelförmige Decke der Halle, symbolisch für die über 6 Millionen ermordeten Männer, Frauen und Kinder. Am Ende steigt man aus dem Dunklen wieder hinauf ins Helle zu einer Aussichtsterrasse, die den Blick auf das moderne Jerusalem öffnet - das Museum ist nicht nur sehr ergreifend, sondern beeindruckt auch durch seine Architektur. Auf dem weitläufigen Gelände der Gedenkstätte befinden sich noch weitere Gebäude, die wir uns auch noch anschauen, die Halle der Erinnerung mit einer Gedenkflamme, das Museum für Holocaust-Kunst und das besonders bewegende „Denkmal für die Kinder", gewidmet den etwa 1,5 Millionen Kindern, die von den Nazis ermordet wurden. Es ist ein fast dunkler Raum, in dem Kerzen durch Spiegel vielfach reflektiert werden, was eine besondere Atmosphäre entstehen lässt. Während man sich an einem Handlauf entlang durch den Raum tastet, werden von einem Endlosband die Namen ermordeter Kinder mit Altersangabe und Herkunftsländern vorgelesen. Im Außenbereich schauen wir uns auch noch das „Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten" an, es zeigt einen Güterwagen der Deutschen Reichsbahn, von Polen zur Verfügung gestellt, und ist den Deportierten gewidmet, die in solche Waggons eingepfercht in die Vernichtungslager transportiert wurden. Yad Vashem ist sehr bedrückend, wie bei so vielen Gedenkstätten zum Holocaust, die wir schon gesehen haben, steht am Ende immer wieder aufs Neue die Fassungslosigkeit über die unglaublichen Verbrechen, die die Nazis an den Juden begangen haben.

Auf dem Rückweg zur Straßenbahn gehen wir noch zum Herzlberg hoch, auf dessen Spitze sich das Grab von Theodor Herzl befindet, dem Begründer des modernen Zionismus. Das Herzl-Museum in der Nähe schauen wir uns nicht mehr an, unsere Aufnahmefähigkeit ist erschöpft. Auf der Rückfahrt mit der Straßenbahn steigen wir am Jerusalemer Zentralmarkt Mahane Yehuda aus, der durchaus mit dem Carmel-Markt in Tel Aviv mithalten kann, er ist sogar viel angenehmer zu begehen, da die beiden Hauptgassen ziemlich breit sind. Hier gibt es Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot, süße und herzhafte Backwaren, Halva, Oliven, Trockenfrüchte, Snacks, Bars, Cafés, Imbisse, auch kleine Läden – wunderbar! Nach einer kalorienreichen Pause eilen wir schon weiter zum Jaffa-Tor, um den zweiten Teil der Mauerwanderung in Angriff zu nehmen, der zum Zionstor im Süden der Altstadt führt. Es ist eher ein Spaziergang, kürzer als die Nordroute, Blicke auf den Tempelberg haben wir hier nicht, aber ins armenische Viertel und Richtung Süden auf den Berg Zion und die mächtige deutsche Dormitio-Kirche außerhalb der Stadtmauer. Am Zionstor steigen wir von der Mauer ab, es ist immer noch übersät mit Einschusslöchern aus dem Unabhängigkeitskrieg 1948, als israelische Soldaten versuchten, von hier aus das jüdische Viertel zu erobern. Jenseits des Zionstors liegt der Berg Zion, für Christen als Stätte des Letzten Abendmahls wichtig, für Juden, weil sie glauben, dass sich hier das Grab von König David befindet. Wir schauen uns beides an, in der Gebetshalle für das Davidsgrab geht es sehr feierlich zu, sie ist unterteilt in einen Bereich für Männer und Frauen, hier beteten die Juden, als sie während der Zeit der jordanischen Kontrolle über Ostjerusalem zwischen 1948 und 1967 nicht zur Klagemauer konnten, auch heute ist es für sie noch ein sehr heiliger Ort. Der Abendmahlssaal befindet sich in demselben Gebäude über dem Davidsgrab und ist über eine Treppe zu erreichen. Ob Jesus hier wirklich speiste, ist übrigens genauso umstritten wie die Verortung von König Davids Grab an dieser Stelle. Zu dem Komplex gehört auch noch die römisch-katholische Dormitio-Kirche und Abtei des deutschen Benediktinerordens, die wir schon von der Mauer aus gesehen haben. Kurz vor der Schließung haben wir nur noch Gelegenheit, einen kurzen Blick in die wunderschöne Kirche zu werfen. Durch das armenische Viertel, das von den insgesamt vier Altstadtvierteln am wenigsten von Touristen überflutet wird, laufen wir zum Jaffator und kommen dabei zufällig an der armenischen St.-Jakobus-Kathedrale vorbei, die besonders schön sein soll. Sie ist nur zu Gottesdiensten geöffnet, wie wir später herausfinden, so können wir lediglich in einen kleinen Vorhof schauen und schaffen es auch an unseren noch verbleibenden Jerusalem-Tagen leider nicht, die Kirche zu betreten, selbst zu Gottesdienstzeiten wurden wir abgewiesen.

 

 

Frühmorgens in der Gasse unserer Unterkunft
 

 

Shakshuka-Frühstück im jüdischen Viertel der Neustadt
 

 
 
Yad Vashem - die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem

 

 

Im Museum zur Geschichte des Holocaust
 

 

600 Fotografien von ermordeten Juden zeigt die Decke in der "Halle der Namen", symbolisch für die über 6 Millionen Opfer des Holocaust

 
 
Halle der Namen: Hier werden Gedenkblätter mit kurzen biographischen Notizen zu jedem einzelnen Holocaust-Opfer aufbewahrt. Die Regale bieten Raum für über 6 Millionen Gedenkblätter, gesammelt wurden bisher  über 2 Millionen.



Halle der Namen: In einem in den Fels gehauenen, mit Wasser gefüllten Kegel spiegeln sich die Porträts der Opfer
 
 

Das "Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten" zeigt einen original Güterwaggon der Deutschen Reichsbahn und ist den Deportierten gewidmet, die in solche Waggons eingepfercht in die Vernichtungslager transportiert wurden.
 

 
 
Das Grab von Golda Meir auf dem Herzlberg
 
 
 
  
Auf der Spitze des Herzlbergs befindet sich das Grab von Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus
 



   
 
Mahane Yehuda, der quirlige Zentralmarkt von Jerusalem


 

Unser Lieblingsbäcker auf dem Mahane Yehuda

 
 
Auf der Stadtmauer nahe dem Jaffator, im Hintergrund die Davidszitadelle

 


Wanderung auf der Stadtmauer, südlicher Teil: links die Neustadt, rechts die Altstadt, im Hintergrund die Zitadelle
 

 
 
Blick von der Mauer auf die deutsche Dormitio-Kirche und Abtei außerhalb der Altstadt

 

 
Die mächtige Dormitio-Kirche am Berg Zion

 


Berg Zion: Betende Juden am Davidsgrab

 

 

Über dem Davidsgrab befindet sich in demselben Gebäude der Saal des letzten Abendmahls
 

 

Das Zionstor ist immer noch übersät mit Einschusslöchern aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948

 

 

 
Junge orthodoxe Juden im armenischen Viertel nahe dem Jaffator


 

Eine orthodoxe jüdische Familie nahe dem Jaffator

 


Am nächsten Morgen steht der Ölberg auf unserem Programm, eine weitere herausragende Sehenswürdigkeit in Jerusalem mit vielen Kirchen und heiligen Stätten und einem großen jüdischen Friedhof. Er gehört wie die Altstadt zu Ost-Jerusalem, das ab 1948 für 19 Jahre unter jordanischer Kontrolle stand, bis es im Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt und 1980 annektiert wurde. Seitdem beansprucht Israel ganz Jerusalem, also auch die östlichen, bis 1967 vorwiegend arabisch bewohnten Stadtteile für sich und als seine unteilbare Hauptstadt, was von den Palästinensern strikt abgelehnt und auch von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt wird, weshalb ausländische Botschaften fast alle in Tel Aviv angesiedelt sind. Der Status der Heiligen Stadt ist eines der heikelsten Themen im Nahost-Konflikt, die Befreiung Ost-Jerusalems als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates das erklärte Ziel der Palästinenser. Umso mehr Sprengkraft hatte die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, Jerusalem im Dezember 2017 im Alleingang als Hauptstadt von Israel anzuerkennen und die amerikanische Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlegen… Die israelische Regierung versuchte und versucht unterdessen, durch den Bau vieler neuer Siedlungen in und um Ost-Jerusalem Tatsachen zu schaffen. Jerusalem – ein schier unlösbares Problem, wie der gesamte Nahostkonflikt.

Der Ölberg liegt gegenüber dem Tempelberg, von der Altstadt durch das Kidrontal getrennt, das in diesem Abschnitt als Ort des Jüngsten Gerichts oft auch mit dem biblischen Namen Joschafat bezeichnet wird. Man kann den Ölberg von der Altstadt aus zu Fuß in Angriff nehmen oder man steigt in den Bus und erspart sich damit einen sehr steilen Anstieg. Wir entscheiden uns für den Bus, der am arabischen Busbahnhof nahe dem Herodestor abfährt, und steigen am Auguste-Viktoria-Hospital aus, eine sehr gute Entscheidung, denn sonst hätten wir die wunderschöne, deutsch-evangelische Himmelfahrtkirche direkt nebenan verpasst. Beide Einrichtungen gehen auf ein Versprechen von Kaiser Wilhelm II. zurück, das er während seiner Palästinareise 1898 mit seiner Gattin Auguste Victoria machte, die als Namensgeberin des Hospitals verewigt wurde. Damals stellte der Kaiser den evangelischen Gemeinden deutscher Sprache Unterstützung für den Bau eines Malaria-Hospiz/Erholungsheims für Pilger mit Gotteshaus in Aussicht, beides wurde in den folgenden Jahren verwirklicht. Nach wechselvoller Geschichte, das Hospital war zwischenzeitlich Militärquartier, Sitz des Hochkommissars während der britischen Mandatszeit, Lazarett etc. dient der Gebäudekomplex jetzt wieder seinem ursprünglichen Zweck, immer noch im Besitz der „Kaiserin Auguste Victoria-Stiftung auf dem Ölberge bei Jerusalem“ und in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das Krankenhaus versorgt heute hauptsächlich palästinensische Patienten und arbeitet fast ausschließlich mit palästinensischem Personal, entlegene Gebiete des Westjordanlands werden mit mobilen Mini-Kliniken betreut. Der Gebäudekomplex liegt 850 m hoch und damit auf einem der höchsten Punkte Jerusalems, die Himmelfahrtkirche gleich nebenan ist mit ihrem markanten Turm deshalb weithin sichtbar.

In dem Gotteshaus, auch heute noch ein Pilger- und Begegnungszentrum wie schon zur Kaiserzeit, sind wir die einzigen Besucher, nach dem Massentourismus, den wir bis jetzt in Jerusalem erlebt haben, ist das eine echte Wohltat. Das Innere der Kirche ist reich geschmückt mit farbenprächtigen Deckenmalereien und kunstvollen Mosaiken, einfach nur wunderbar. Wir steigen auf zur Empore, wo wir einen besonders guten Blick in den Kirchenraum haben und auf eine interessante Ausstellung mit Fotos von Jerusalem um 1900 und zur Entstehung der Kirche treffen. Dann erklimmen wir den Turm, oben bietet sich ein phantastischer Rundumblick auf Ost-Jerusalem, den Ölberg, die Altstadt mit dem Tempelberg... Gar nicht so weit entfernt kann man die Sperranlagen erkennen, hier in Form einer Mauer, die das Westjordanland vom arabischen Teil Jerusalems abschneiden. Im Turm hängen imposante Glocken, deutsche Glocken, wie wir zu unserem Erstaunen den Informationstafeln entnehmen, die größte und schwerste von ihnen die sogenannte Herrenmeister-Glocke mit einem Gewicht von 6120 kg. Sie wurden von der Glockengießerei Schilling im thüringischen Apolda als Geschenk des Kaisers für die Kirche gegossen und dann ins Heilige Land gebracht, was eine große logistische Herausforderung gewesen sein muss, vor allem, nachdem sie mit dem Schiff im Hafen von Jaffa eingetroffen waren, denn damals gab es noch keine festen Straßen wie heute. Die Herrenmeister-Glocke versank samt Gespann aus sechs Ochsen im sandigen Untergrund: "Der Wagen zerbrach und unter unsäglichen Mühen mußte die Glocke auf Schlitten und Rollen nach dem Quai zurückgeschleppt werden", weiß der erste Glöckner der Himmelfahrtkirche 1910 zu berichten. Den Deutschen blieb nichts anderes übrig, als die Wege auf eigene Kosten reparieren und pflastern zu lassen, um schließlich mit preußischer Beharrlichkeit das Unmögliche möglich zu machen und die Glocken ihrer endgültigen Bestimmung auf dem Ölberg zuzuführen. "Und was hat die Geschichte gekostet!", klagt der Glöckner. Nur 615,92 Mark für die Bahnfahrt und Schiffspassage von Apolda nach Jaffa, aber für "die kaum 12 Meilen lange Strecke von Jaffa Hafen bis Baustelle Oelberg 1476,40 Mark". Wir sind ziemlich beeindruckt ob dieser Leistung, noch mehr staunen wir über die phänomenale Aussicht und die Stille in der Kirche, tatsächlich bleiben wir bis zum Schluss die einzigen Besucher. Als wir dann weiter zur Himmelfahrtskapelle laufen, ist es mit der Ruhe auch schon wieder vorbei. Die kleine, eher unscheinbare mittelalterliche Kapelle, auch Himmelfahrtsmoschee genannt, weil sie später in eine Moschee umgewandelt wurde, markiert die Stelle, von der aus Jesus Christus in den Himmel aufgefahren sein soll. Obwohl sie noch heute zu einer Moschee gehört und auch den Muslimen heilig ist, wird die Kapelle hauptsächlich von christlichen Pilgern besucht oder eher belagert, die geduldig in einer langen Schlange ausharren, um im schlichten Innern des achteckigen Baus einen Blick auf den Fußabdruck zu werfen, den Jesus hier vor seiner Himmelsfahrt hinterlassen haben soll. Wir reihen uns ein und zwängen uns mit vielen anderen in die Kapelle, einen Blick auf den angeblichen Fußabdruck können wir bei dem Gedränge aber nicht erhaschen. Weiter zur Paternoster-Kirche, in der Jesus seine Jünger das Vaterunser gelehrt haben soll. Sie hat ihren Ursprung im 4. Jahrhundert, wurde danach mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, der heutige Bau ist eine teilweise Rekonstruktion des ersten Gebäudes aus byzantinischer Zeit. Bekannt ist das Gotteshaus vor allem deshalb, weil hier auf Platten an den Wänden des Kreuzgangs und des Vorhofs das Vaterunser in 140 verschiedenen Sprachen angebracht ist. Weil wir schon ziemlich in Eile sind, die meisten Kirchen auf dem Ölberg schließen um ca. 12 Uhr und öffnen dann erst am Nachmittag wieder, verzichten wir auf einen Besuch und werfen nur von außen einen kurzen Blick in den schönen Vorhof. Ein Stück unterhalb der Paternosterkirche erreichen wir einen sensationellen Aussichtspunkt mit phantastischem Blick auf die Altstadt und den Tempelberg, es ist vielleicht der beste in Jerusalem und entsprechend drängen sich hier die Touristen, wohl vor allem christliche Pilger, denn viele heilige Stätten auf dem Ölberg werden im Neuen Testament mit Jesus in Verbindung gebracht, wenngleich der Ölberg auch für Juden und Muslime von großer Bedeutung ist. Unterhalb des Aussichtspunkts breitet sich ein riesiger jüdischer Friedhof über den Hang aus, einer der ältesten der Welt und als letzte Ruhestätte bei den Juden sehr begehrt, denn nach ihrem Glauben wird der Messias einst über den Ölberg wieder nach Jerusalem ziehen, dabei die Toten erwecken und im Joschafat-Tal zwischen dem Tempelberg und dem Ölberg das Jüngste Gericht abhalten – günstiger kann man also nicht liegen, wenn man sich Auferstehung erhofft. Für ein Grab an dieser Stelle muss man allerdings tief in die Tasche greifen, denn mittlerweile ist der Platz knapp, da jüdische Gräber traditionell nicht aufgelöst werden, schon gar nicht am Ölberg, wo die Toten auferstehen sollen. Und bestattet wird hier schon lange, die ersten Grablegungen fanden vor mehr als 3000 Jahren statt. Platznot ist auch auf anderen jüdischen Friedhöfen in Jerusalem wegen der zeitlich unbegrenzten Ruhefrist der Toten ein Problem, weshalb man seit kurzem dazu übergegangen ist, unterirdische Friedhöfe anzulegen, weil „oben" einfach kein Platz mehr ist.

Wir bleiben lange an dem Aussichtspunkt - der Blick auf die Altstadt mit Tempelberg und Felsendom und dem jüdischen Friedhof mit seinen weißen Gräbern im Vordergrund ist einfach überwältigend. In einer wahren Karawane von Touristen bzw. Pilgern gehen wir dann steil abwärts zur Dominus-Flevit-Kapelle, die an der Stelle errichtet wurde, wo Jesus über das kommende Schicksal Jerusalems geweint haben soll. In der kleinen römisch-katholischen Kirche findet gerade ein geschlossener Gruppen-Gottesdienst statt, der Zutritt für andere Besucher ist deshalb leider gesperrt. Zumindest können wir den grandiosen Blick von der Terrasse aus zum Tempelberg hin ohne Einschränkung genießen. Weiter geht es abwärts im Strom der Ölberg-Besucher zum nächsten Gotteshaus, der Maria-Magdalena-Kirche, hier laufen die meisten Pilger vorbei, denn es ist „nur“ eine russisch-orthodoxe Kirche, Ende des 19. Jahrhunderts von Zar Alexander III. zum Gedenken an seine Mutter erbaut. Mit ihren sieben goldenen Zwiebeltürmen wirkt sie fast wie ein Märchenschloss, ziemlich auffällig im Stadtbild von Jerusalem und vom Tempelberg aus sehr gut zu erkennen. Auch im Innern ist sie prächtig ausgestaltet mit Ikonen und Malereien, Fotos darf man nicht machen. Wir genießen die unerwartete Ruhe in der Kirche und laufen dann weiter zum Mariengrab am Fuße des Ölbergs im Joschafat-Tal. Eine steile Treppe führt hinunter in die Krypta, in der sich die letzte Ruhestätte der Mutter Jesu befinden soll, eine der heiligsten Stätten des Christentums, was den großen Andrang erklärt, vergleichbar mit dem in der Grabeskirche, obwohl das Grab nicht nur hier, sondern auch noch an anderen Stellen verortet wurde. Selbst kurz vor der Schließung um 12 Uhr ist kaum ein Durchkommen, es wird ziemlich unchristlich gedrängelt und geschubst, um sich einen Vorteil beim Sturm auf das Grab zu verschaffen. Wir kapitulieren und treten schnell den Rückzug an. Im Garten Gethsemane gleich nebenan mit uralten Olivenbäumen geht es etwas ruhiger zu, hier soll sich Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung aufgehalten haben, bevor er von Judas verraten und verhaftet wurde. Gleich nebenan befindet sich die Kirche der Nationen, errichtet über der Stelle, an der Jesus in der Nacht vor seiner Verhaftung gebetet haben und ihm in Vorhersehung seiner Kreuzigung der Angstschweiß ausgebrochen sein soll, weshalb die Kirche auch Todesangstbasilika heißt. Das römisch-katholische Gotteshaus wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit finanzieller Unterstützung von 12 Nationen auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet (deshalb der Name „Kirche der Nationen“) und ist innen sehr schön ausgestaltet mit Malereien und Mosaiken. Gedämpftes Licht schafft eine andächtige Atmosphäre, die jeden Besucher verstummen oder flüstern lässt. Der Felsen, auf dem Jesus gebetet haben soll, befindet sich neben dem Altar, dorthin zieht es die meisten Gläubigen. Wir schauen uns um, ich finde die Kirche sehr schön, sie ist unsere letzte Station am Ölberg, der zusammen mit der Grabeskirche und der Via Dolorosa zweifellos zu den Touristen- bzw. Pilgerhotspots gehört. Der Massentourismus ist ein Problem in Jerusalem, das zu den am stärksten wachsenden Reisezielen weltweit zählt. Ca. 4½ Millionen Touristen besuchen Israel pro Jahr, Tendenz steigend, und alle wollen in die Heilige Stadt. Wir haben aber trotz des Andrangs jeden einzelnen Tag in Jerusalem genossen und auch immer noch ruhige Stellen in der Altstadt entdeckt. Die Hauptsehenswürdigkeiten sollte man möglichst frühmorgens aufsuchen, sogar die Grabeskirche, die von Touristen geradezu überrannt wird, haben wir einmal fast ohne andere Besucher genießen können. Der Massentourismus konzentriert sich auf einige wenige Orte in der Altstadt und auf dem Ölberg und trotz der vielen Touristen ist die Magie der Heiligen Stadt immer noch spürbar.

Nach dem Ölberg-Vormittag machen wir eine lange Pause auf dem Mahane Yehuda-Markt, wo es heute wohl wegen des bevorstehenden Sabbat besonders geschäftig zugeht. Ich laufe am Nachmittag noch einmal alleine zur Grabeskirche, in der Hoffnung, endlich ins Heilige Grab zu gelangen, aber vergeblich, das Gotteshaus scheint unter Dauerbelagerung zu stehen und die Schlange vor dem Heiligen Grab ist immer lang. Wie so oft gehen wir auch an diesem Abend noch einmal zur Klagemauer, zu unserer Überraschung ist es auch dort sehr voll, sehr viel voller als an anderen Abenden. Der Platz vor der Klagemauer ist festlich geschmückt mit Fahnen und hell ausgeleuchtet. Schließlich geht uns auf, dass hier gerade eine militärische Zeremonie beginnt, eine Rekrutenvereidigung nämlich, was auch die Präsenz so vieler junger Soldaten in Uniform erklärt. Es ist erstaunlich, dass bei solchen Feierlichkeiten die Touristen nicht ausgeschlossen werden, aber die Klagemauer ist eben offen für alle. Wir suchen trotzdem schnell das Weite, obwohl es sicher interessant wäre, die Vereidigung zu beobachten und der Tempelberg mit dem Felsendom in der Abenddämmerung besonders schön aussieht. Aber eine militärische Zeremonie unterhalb des Tempelbergs dürfte den arabischen Bewohnern Jerusalems ein Dorn im Auge sein und damit ein perfektes Anschlagsziel für Terroristen darstellen. Die Grabeskirche liegt auf unserem Heimweg, aber dort drängen sich auch um 19 Uhr noch die Touristen, das scheint der meistbesuchte Ort in Jerusalem zu sein.
 

 

   
Früh am Morgen am Damaskustor: Weil die meisten Altstadtgassen für Autos nicht befahrbar sind, werden Waren mit solchen Fahrzeugen oder Handkarren angeliefert - hier unter den wachsamen Augen von zwei israelischen Soldaten (links im Bild)


Die deutsch-evangelische Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg

 



 

Detail in der deutschen Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg



Dito





 
Blick vom Turm der deutschen Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg: Links hinten der hohe Turm der russischen Himmelfahrtkirche, ganz rechts kann man schwach die goldene Kuppel des Felsendoms erkennen.
 



Die Herrenmeisterglocke im Turm der deutschen Himmelfahrtkirche

 

 

Die Glockengießerei Schilling im thüringischen Apolda fertigte die Glocken im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. an.


 

Links eine der drei kleineren Glocken, rechts der schwergewichtige Herrenmeister

 

 

 EKMD | Pressestelle Erfurt | Apoldaer Weltglockengeläut erstmals in der  Lutherkirche

Die Herrenmeisterglocke auf dem Weg von Jaffa nach Jerusalem

 

 

 Parole an der Paternoster-Kirche


 
 
Großer Andrang an der Himmelfahrtskapelle auf dem Ölberg

 

 

Davon konnten wir nicht genug bekommen: Blick vom Ölberg zum Tempelberg und zur Altstadt von Jerusalem

 

 

Dito: Im Vordergrund der große jüdische Friedhof
 
 



Dito: Rechts der Tempelberg mit Al-Aqsa-Moschee und Felsendom, ganz links am Horizont die mächtige deutsche Dormitio-Kirche



Dito



Ein Stück bergab bietet sich von der Dominus-Flevit-Kapelle eine etwas andere Perspektive, im Joschafat-Tal warten die Reisebusse auf die Rückkehr ihrer Fahrgäste.

 

 

 
Dito: Rechts im Bild die goldenen Zwiebeltürme der russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kirche


Die russisch-orthodoxe Maria-Magdalena-Kirche


Großer Andrang am Eingang zum Mariengrab im Joschafat-Tal


Am Mariengrab


 

Garten Gethsemane - hier soll sich Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung aufgehalten haben



In der Kirche der Nationen im Joschafat-Tal



Nach dem langen Vormittag auf dem Ölberg machen wir eine Pause auf dem Zentralmarkt Mahane Yehuda



Zu allen Tageszeiten ist vor und in der Grabeskirche viel los



Die goldene Kuppel des Felsendoms leuchtet in der Abenddämmerung

 

 

 

   
Unterwegs zur Klagemauer: In den Hauptgassen der Altstadt ist noch viel los..

 

 

Großer Andrang an der Klagemauer: Hier findet heute Abend eine Rekrutenvereidigung statt.
 

 

Dito

 



Am nächsten Morgen steuern wir noch einmal den Ölberg an, dieses Mal aber zu Fuß vom Joschafat-Tal aus. Auf dem Wege dorthin kommen wir kurz vor dem Löwentor an der Sankt-Anna-Kirche vorbei, sie ist schon geöffnet und anders als an den vorherigen Tagen noch fast leer, wir nutzen die Gelegenheit und schauen uns um. Das Gotteshaus wurde an der Stelle errichtet, wo Joachim und Anna, die Eltern der Jungfrau Maria gelebt haben sollen. Die Kirche hat eine eher schlichte Fassade und wirkt von außen ziemlich kompakt, typisch für den Stil der Kreuzfahrer, als deren schönstes Beispiel in Jerusalem sie gilt. Die Kirche kam Mitte des 19. Jahrhunderts in französischen Besitz, sie war damals stark verfallen und mit allerlei Unrat vermüllt, weil sie zwischenzeitlich auch einmal als Pferdestall benutzt worden war. Die Franzosen nahmen die Restaurierung in Angriff, heute erstrahlt auch das Kircheninnere wieder in schlichter, strenger Schönheit. Die Kirche ist bekannt für ihre Akustik, weshalb Pilgergruppen und Chöre hier gerne spontan eine Kostprobe ihrer Gesangskunst abliefern, auch wir werden Zeuge einer solchen Darbietung. Als wir das weitläufige Kirchengelände verlassen, wo es auch noch Ausgrabungen zu besichtigen gibt, treffen schon die ersten Besuchergruppen ein.

Wir beeilen uns deshalb, zum Ölberg zu kommen, bevor auch dort der Massenansturm einsetzt. Zuerst steuern wir das Mariengrab am Fuße des Ölbergs an, wir haben Glück, im Gegensatz zu gestern ist es dort praktisch noch leer. Die Krypta ist spärlich beleuchtet und verschwenderisch mit unzähligen Öllampen geschmückt, was eine besondere Atmosphäre schafft. Am Grab selber wacht ein Aufpasser darüber, dass man sich angemessen verhält und nicht zu lange bleibt. Im Garten Gethsemane und in der Kirche der Nationen gleich nebenan ist es jetzt, um halb zehn Uhr, schon unangenehm voll. Wir gehen deshalb nur noch steil hoch zum Aussichtspunkt oberhalb des jüdischen Friedhofs. Es lohnt sich, das Licht ist noch besser als gestern und der Blick zur Altstadt mit dem Tempelberg so wunderschön, dass wir uns kaum losreißen können. Auf dem Rückweg zum Joschafat-Tal kommen uns die ersten Reisegruppen entgegen, auch die Via Dolorosa in der Altstadt, die kurz hinter dem Löwentor beginnt, füllt sich schon. Für einen Mittagsimbiss gehen wir zur Al-Wad-Straße, die vom Damaskustor ins muslimische Viertel der Altstadt führt, ein Strom festlich gekleideter Muslime schiebt sich hier zum Freitagsgebet Richtung Tempelberg. Im Bereich des Damaskustors sind schwer bewaffnete israelische Soldaten immer präsent, aber heute ist ihre Anzahl deutlich erhöht, auf die Palästinenser muss das provozierend wirken.

Am Nachmittag mache ich mich alleine zur Davidszitadelle auf, Gerold braucht eine Sightseeing-Pause und will joggend die Altstadt umrunden. Die Zitadelle liegt unmittelbar am Jaffator, das ins armenische und christliche Viertel der Altstadt führt. Hier herrscht immer großer Andrang von Touristen und Einheimischen und reger Auto- und vor allem Lieferverkehr, denn der größte Teil der Altstadt ist Fußgängerzone, die verwinkelten engen Sträßchen und Treppengassen wären aber für Autos eh nicht befahrbar. Die Zitadelle schließt am heutigen Freitag wegen des beginnenden Sabbat schon um 14 Uhr, an allen anderen Tagen, auch am Sabbat-Samstag, hat sie bis 16 Uhr geöffnet. Mir bleiben nur knapp zwei Stunden, mich auf dem weitläufigen Gelände umzuschauen. Mit dem biblischen König David hat die Zitadelle übrigens nichts zu tun, die Bezeichnung kam durch einen Irrtum zustande. Die Anfänge der Bastion reichen weit zurück, Ausgrabungen legen nahe, dass hier schon zu Herodes' Zeiten eine Festung stand, die Anlage in ihrer heutigen Form geht aber im Wesentlichen auf das Mittelalter und umfangreiche Erweiterungen unter osmanischer Herrschaft zurück. Seit 1989 beherbergt die Zitadelle das Museum zur Geschichte Jerusalems, das in verschiedenen Räumen untergebracht ist. Dort schaue ich mich nur flüchtig um, für eine vertiefende Beschäftigung mit der Stadtgeschichte reicht die Zeit einfach nicht. Spannender ist es ohnehin, die Zitadelle vom Wehrgang aus zu erkunden, man kann fast ganz rundherum gehen, mit phantastischen Blicken auf die Alt- und Neustadt von Jerusalem und in den Innenhof der Festung, wo heute eine lautstarke Halloween-Party stattfindet. Der beste Blick auf die Altstadt mit Tempelberg und Felsendom bietet sich vom Phasaelturm aus, dessen Fundamente noch auf Herodes zurückgehen. Bis zur Schließung der Anlage um 14 Uhr genieße ich ausgiebig die spektakulären Blicke, fast als einzige Besucherin, von der lärmigen Party einmal abgesehen. Als wir anschließend in der Neustadt etwas essen wollen, herrscht dort schon Sabbatruhe, obwohl die eigentlich erst kurz vor Sonnenuntergang beginnt. Auch im jüdischen Teil der Altstadt hat schon alles geschlossen. Richtung Damaskustor dagegen, wo das arabische Viertel liegt, sind die Straßen belebt, ohne Probleme finden wir ein Restaurant außerhalb der Stadtmauer. Eigentlich wollten wir anlässlich des beginnenden Sabbat noch einmal zur Klagemauer, aber es hat zu regnen begonnen, zum ersten Mal, seit wir in Israel sind, und auf dem glatt polierten Kopfsteinpflaster der Altstadt geht es sich wie auf Schmierseife. Nachdem Gerold einmal böse ausgerutscht ist und fast hingefallen wäre, verzichten wir auf eine weitere Rutschpartie und verbringen den Abend in unserer Unterkunft.

 


Die Sankt-Anna-Kirche in der Nähe des Löwentors gilt als das schönste Beispiel für den Baustil der Kreuzfahrer in Jerusalem, sie ist bekannt für ihre Akustik - Reisegruppen liefern deshalb hier gerne eine Kostprobe ihrer Gesangskunst ab.



Dito

 

 

Das Joschafat-Tal zwischen Ölberg und Altstadt, rechts oben im Bild die östliche Stützmauer des Tempelbergs
 

Im Joschafat-Tal: Links die Kirche der Nationen, rechts oben davon die russisch-orthodoxe Maria-Magdalena-Kirche mit ihren goldenen Zwiebeltürmen

 

 

Früh am Morgen sind die Treppen zum Mariengrab im Joschafat-Tal noch leer.

 

 

 
Auch am Mariengrab selber ist noch wenig los



Blick vom jüdischen Friedhof auf dem Ölberg zur Altstadt von Jerusalem

 

 

Dito: Die Steine werden auf den Gräbern abgelegt, um zu zeigen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist.
 
 
In der Al-Wad-Straße, die vom Damaskustor in das arabische Viertel der Altstadt von Jerusalem führt: Muslime auf dem Weg zum Freitagsgebet auf dem Tempelberg

 

Dito
 

 

Israelische Soldaten sind im arabischen Viertel der Altstadt stets präsent, dort kommt es immer wieder zu Messerattacken auf Israelis

 

Äthiopische Christen warten unweit unserer Unterkunft auf einen Gottesdienst

 

 

Blick von der Zitadelle auf die Altstadt von Jerusalem: Vorne rechts die Dachterrasse des Gästehauses der Christuskirche, links der hohe Turm der Lutherischen Erlöserkirche und in einer Linie hintereinander die kleine goldene Kuppel der Johanneskirche im Muristan, die große goldene Kuppel des Felsendoms und am Horizont der hohe Turm der russischen Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg


 

Blick in den Innenhof der Zitadelle

 

 

Blick von der Zitadelle auf die Altstadt: Links die grauen Kuppeln der Grabeskirche, in der Mitte der Turm der Lutherischen Erlöserkirche, rechts davon die kleine goldene Kuppel der  Johanneskirche und rechts hinten der Felsendom auf dem Tempelberg

 

 

Blick von der Zitadelle auf das Jaffator

 

 

Haloween-Party im Innenhof der Zitadelle

 

 

Gerold am Jaffator, nachdem er joggend die Altstadt umrundet hat.

 



Am nächsten Morgen stehen wir schon um 7 Uhr am arabischen Busbahnhof gegenüber dem Damaskustor und nehmen den Bus 231 nach Bethlehem. Das ist die bequemste Variante, weil man ohne Umsteigen bis ins Zentrum der Stadt durchfahren kann. Die Fahrt dauert nicht lange, Bethlehem liegt nur ca. 10 km von Jerusalem entfernt, aber im Westjordanland, also im Palästinensergebiet, d.h. wir müssen einen Kontrollpunkt und die Sperranlagen passieren, die das Westjordanland von Jerusalem bzw. Israel trennen. Ein bisschen mulmig ist uns zumute – wie werden die Kontrollen am Checkpoint 300 verlaufen? Aber wir passieren die Grenze völlig problemlos, der Bus fährt einfach durch, noch nicht einmal die Papiere werden kontrolliert, wir staunen. Von der Haltestelle im Zentrum ist es nicht mehr weit bis zur Geburtskirche, die der römische Kaiser Konstantin 326 an der Stelle errichten ließ, wo Jesus geboren sein soll. Danach wurde sie mehrfach umgestaltet, erneuert, erweitert, in osmanischer Zeit verfiel sie zusehends, aber zerstört wurde sie nie, was sie zu einer der ältesten Kirchen im Heiligen Land macht. Sie steht seit langem unter der Verwaltung der römisch-katholischen, griechisch-orthodoxen und armenisch-orthodoxen Kirche, und genauso wie in der Grabeskirche in Jerusalem kommt es auch hier immer wieder zu Streitigkeiten über die Nutzung der Kirche, Renovierungen und Zuständigkeiten, die mitunter sehr unchristlich sogar in Handgreiflichkeiten ausarten… Die Geburtskirche ist seit 2012 UNESCO-Weltkulturerbe, das erste in Palästina, und eine der heiligsten Stätten der Christenheit, wir rechnen mit großem Andrang, alle Pilgergruppen, die Jerusalem bereisen, haben auch Bethlehem auf ihrer Liste. Man betritt die Kirche vom Manger Square her durch das Tor der Demut, eine niedrige Pforte, die den Eintretenden zu einer gebückten Haltung zwingt, die man auch als demutsvoll bezeichnen könnte, deshalb der Name. Ursprünglich war das Tor größer, die früheren Umrisse kann man noch erkennen, es heißt, dass es verkleinert wurde, um mögliche Angreifer oder Plünderer daran zu hindern, mit Pferden in die Kirche zu reiten… Zu unserer Überraschung ist es in der Kirche noch relativ leer. Wir gehen gleich durch zur Geburtsgrotte, wie alle Touristen und Pilger wollen auch wir vorrangig die Stelle sehen, wo Jesus geboren wurde, obwohl es dafür keine Beweise gibt. Es ist, wie so viele andere heilige Orte auch, wohl eher als symbolische Erinnerungsstätte zu verstehen. Vor der Grotte haben schon zwei Reisegruppen Stellung bezogen, das ist überschaubar, wir warten also. Eine Pilgergruppe aus den USA hält die Treppen besetzt, die zur Geburtsstätte hinunterführen, und verteidigt diese Sitzplätze geradezu aggressiv gegen jeden, der auf die Idee kommt, sich auch auf den Stufen niederzulassen. In der Grotte findet eine Messe statt, danach werden, aus welchen Gründen auch immer, die Treppen geputzt, am Ende dauert es doch fast zwei Stunden, bis wir endlich das Heiligtum betreten können. In der spärlich beleuchteten Geburtsstätte selber werden die Besucher dann im Schnellverfahren durchgeschleust. Ein silberner Stern mit 14 Zacken markiert auf dem Boden den Ort, wo Jesus das Licht erblickt haben soll, mit der Stallszene aus der Bibel hat das wenig zu tun. Man muss sich bücken, um den Stern zu berühren, manche werfen sich auch lang hin, und wird dann von der Masse schon weitergeschoben oder von den Aufpassern zum Weitergehen gedrängt. Zwei Stunden anstehen für zwei Minuten Grotte! Wir sind Christen und haben deshalb die Prozedur mitgemacht, wiederholen würden wir es nicht, zumindest nicht mit einer langen Wartezeit. Dabei hatten wir noch Glück – mittlerweile ist es in der Kirche unangenehm voll geworden und die Warteschlange vor der Geburtsstätte zieht sich durch den ganzen Kirchenraum bis zum Eingang und nach draußen auf den Vorplatz. Wir kapitulieren vor diesem Massenansturm und verlassen die Kirche, ohne uns noch etwas anderes angeschaut zu haben. Frustriert sind wir nicht, immerhin haben wir die mutmaßliche Geburtsstätte gesehen, aber wir bereuen sehr, dass wir für Bethlehem nur einen Tagesausflug eingeplant haben. Man sollte hier übernachten und hätte dann viel mehr Zeit und Ruhe, nicht nur die Geburtskirche außerhalb der touristischen Stoßzeiten zu besichtigen, sondern auch andere Sehenswürdigkeiten und die Altstadt zu erkunden. Wir streifen noch eine Weile durch die sehr schöne Altstadt, die schon anders ist, orientalischer irgendwie, um ein Klischee zu bemühen. Hippe, moderne Geschäfte sucht man hier vergeblich, es gibt eher ein buntes Durcheinander von vielen kleinen Läden in Tante-Emma-Art. Wir schauen uns auch auf dem interessanten, geschäftigen Markt um und bekommen dort sehr leckere, frisch zubereitete Falafel und auf dem Rückweg zur Bushaltestelle das beste Shawarma unserer Reise. Man kann hier übrigens problemlos mit Schekel bezahlen, unsere Sorge diesbezüglich war also unbegründet. Früher als geplant sitzen wir schon wieder im Bus nach Jerusalem. Als wir uns dem Checkpoint nähern, können wir vom Bus aus zumindest einen Blick auf die Graffitis werfen, die die Mauer auf der palästinensischen Seite bedecken und sich kritisch mit den Sperranlagen bzw. dem Nahostkonflikt allgemein auseinandersetzen. Sie sind inspiriert von dem bekannten Streetart-Künstler Banksy, der (oder die – der Name ist ein Pseudonym, man weiß nicht, wer sich dahinter versteckt) 2017 in unmittelbarer Nähe der Sperranlagen das Walled Off Hotel eröffnete, das damit „wirbt“, die schlimmste Aussicht der Welt zu haben, weil die Gäste direkt auf die Mauer blicken. Die Inneneinrichtung des Hotels ist museumsartig mit kritischen Bezügen auf die Sperranlage und den Nahostkonflikt ausgestattet, Kriegsutensilien sind ausgestellt, Graffiti-Transparente schmücken die Wände… Wir finden diese Sicht der Dinge allzu vereinfachend. Wenn man die Sperranlagen anklagt, muss man der Fairness halber auch über den organisierten Terror sprechen, der über Israel während der Zweiten Intifada zwischen 2000 und 2005 hereinbrach. Radikale Palästinenser aus dem Westjordanland verübten damals zahlreiche Terroranschläge und Selbstmordattentate in Israel, als Reaktion darauf wurde mit dem Bau der Sperranlagen begonnen.


Am Checkpoint hält unser Bus, junge Männer und Frauen müssen aussteigen und ihre Papiere vorzeigen, ältere Fahrgäste und auch wir dürfen sitzen bleiben, noch nicht einmal unsere Pässe werden kontrolliert, selbst unser kleiner Tagesrucksack bleibt unbeachtet. An unserem letzten Jerusalem-Tag wollten wir eigentlich noch nach Me'a She'arim, einem der ältesten Stadtteile Jerusalems, den man vom Zentrum aus gut zu Fuß erreichen kann. Hier wohnen vor allem ultraorthodoxe Juden, die meisten von ihnen ursprünglich aus Osteuropa stammend, das Jiddische der Aschkenasim ist deshalb dort die vorherrschende Sprache. Me'a She'arim wird als Jerusalems exotischstes Stadtviertel mittlerweile sogar in Reiseführern erwähnt, die Bewohner sind verständlicherweise nicht begeistert davon, wegen ihres Aussehens, ihrer Kleidung und ihrer Art zu leben zur Touristenattraktion avanciert zu sein. Aus diesem Grund haben wir bisher gezögert, Me'a She'arim aufzusuchen, heute nimmt uns einsetzender Regen die Entscheidung ab. So sind wir schon recht früh in unserer Unterkunft und bereiten unsere Abreise vor.






   
In der Bäckerei um die Ecke von unserer Unterkunft holen wir jeden Morgen frisches Brot



In der Geburtskirche von Bethlehem, die an der Stelle errichtet wurde, wo Jesus geboren sein soll.
 


 
Altar vor der Geburtsgrotte



Der Eingang zur Geburtsgrotte - es geht los!



In der Geburtsgrotte: Ein silberner Stern mit 14 Zacken markiert auf dem Boden die Stelle, wo Jesus das Licht erbllickt haben soll - mit einem Stall hat das wenig zu tun!


Ein besonderer Moment: Ich beuge mich über den silbernen Stern..


Als wir die Geburtskirche verlassen, hat sich der Vorplatz schon mit Besuchern gefüllt


Blick auf die Altstadt von Bethlehem von der Geburtskirche aus



Auf dem Markt von Bethlehem: Hier werden Falafel frisch zubereitet



Auf dem Markt von Bethlehem



Zurück in Jerusalem: Eine orthodoxe jüdische Familie nahe dem Damaskustor im arabischen Viertel der Altstadt - eher eine Seltenheit


Typische Szene im arabischen Viertel nahe dem Damaskustor in Jerusalem
 
 
 
In der Nacht wurde wie in Deutschland die Uhr auf Winterzeit umgestellt, es wird jetzt also schon um 17 Uhr dunkel, was ein erheblicher Nachteil ist, wenn man Israel um diese Jahreszeit bereist, insbesondere, da wir ab Dienstag mit dem Auto unterwegs sind und teilweise auch im Zelt übernachten möchten. Aber heute haben wir erst einmal einen langen Tag vor uns. Um 6 Uhr stehen wir schon vor der Grabeskirche, zu unserer Überraschung ist es noch relativ leer, nachdem es an den vorangegangen Tagen stetig voller zu werden schien. Möglicherweise hat es etwas mit der Zeitumstellung zu tun, in der Grabeskirche gilt nämlich immer Normalzeit, auch wenn „draußen“ Sommerzeit ist. Jedenfalls stehen vor dem Eingang zum Grab, in dem der Leichnam Jesu nach der Kreuzigung beigesetzt worden sein soll, nur wenige Leute, ich reihe mich ein. Und dann wird auch noch viel früher als an den vorherigen Tagen um kurz nach sieben Uhr schon Einlass zu dieser heiligen Stätte gewährt. So komme ich an unserem letzten Jerusalem-Tag nach nur kurzer Wartezeit doch noch ins Heilige Grab, was ich, obwohl nicht sehr religiös, durchaus als etwas ganz Besonderes empfinde, Gerold verpasst die Chance. Die Grabkapelle besteht aus zwei Räumen, einem Vorraum, der sogenannten Engelskapelle, und der eigentlichen Grabkammer, zu der man durch einen engen Durchgang gelangt. Nur vier Personen auf einmal dürfen das Heilige Grab betreten, mehr passen allerdings auch nicht hinein. Man hat vielleicht zwei Minuten, in denen man die Hände auf den Altar legen kann, dann klatscht der Aufpasser und alle müssen wieder raus, ein Erlebnis ist es trotzdem. Noch ein letztes Mal gehen wir zur Klagemauer und streifen durch das jüdische Viertel, dann packen wir unsere Sachen zusammen und laufen zum arabischen Busbahnhof am Damaskustor. Um 11 Uhr sitzen wir schon im Bus 218 nach Ramallah, unser spannender, unvergesslicher Besuch in Jerusalem ist beendet, ein neues Abenteuer beginnt.
 


An unserem letzten Morgen in Jerusalem ist der Platz vor der Grabeskirche leer....


.... und auch vor dem Heiligen Grab ist wenig los.....



....so reihe ich mich in die Schlange der Wartenden vor der Grabeskapelle ein.



Aufpasser sorgen dafür, dass man das Heilige Grab schon nach wenigen Minuten wieder verlässt.


An der Rückseite des Heiligen Grabs ist die Kapelle der Kopten angebaut - sie zelebrieren hier gerade eine  Messe und singen lautstark gegen die Priester vor der Grabeskapelle an....
 
 
Ein letztes Mal gehen wir zur Klagemauer....


Dito


Orthodoxe jüdische Familie in der Nähe der Klagemauer - wir fragten um Erlaubnis und durften ein Foto machen.
 

Problematisches Statement im jüdischen Viertel: Die offizielle israelische Bezeichnung für das Westjordanland lautet Judäa und Samaria...


Jüdisches Viertel: In der Heiligen Stadt sind selbst die Bagels heilig...


Nahe dem Damaskustor in der Altstadt von Jerusalem: Auf dem Weg zum arabischen Busbahnhof und nach Ramallah


 
Ramallah (Westjordanland): Sonntag, 27.10.2019 bis Dienstag, 9.10.2019

 

Ramallah liegt ca. 15 km nordwestlich von Jerusalem im Westjordanland und ist seit dem Bau der israelischen Sperranlagen von der Heiligen Stadt aus nur über den Kontrollpunkt Qalandia erreichbar. Wie gestern auf dem Weg nach Bethlehem fährt der Bus am Checkpoint einfach durch und wir erreichen schnell die Vororte von Ramallah, der inoffiziellen Hauptstadt des Westjordanlands, dessen Geschichte kompliziert und Teil des ungelösten Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis ist. Die UN hatte 1947 für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und arabischen Staat gestimmt, die Zionisten stimmten dem mehr oder weniger zu, die Araber lehnten das ab. Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 kam es zum ersten arabisch-israelischen Krieg, in dessen Folge das Westjordanland zusammen mit Ost-Jerusalem zunächst von Jordanien besetzt und 1950 schließlich annektiert wurde. Im Sechstagekrieg 1967 wiederum übernahm Israel die Kontrolle über das Westjordanland, das seither quasi unter israelischer Militärverwaltung steht, und Ost-Jerusalem, das 1980 annektiert wurde. Beide Gebiete entwickelten sich zu Unruheherden, die Palästinenser verübten immer wieder Selbstmordattentate im israelischen Kernland, Israel begann sofort nach dem Sechstagekrieg damit, Siedlungsprojekte in den besetzten Zonen voranzutreiben, was den Konflikt zusätzlich befeuerte. Im Zuge der Annäherung zwischen Israel und Palästina/der PLO zu Beginn der 90er Jahre mit Yitzchak Rabin und Jassir Arafat, die dafür später den Friedensnobelpreis erhielten, kam es zu mehreren Vereinbarungen, die als Oslo-Abkommen in die Geschichte eingingen. Seitdem ist das Westjordanland in die drei Zonen A, B und C aufgeteilt. In der A-Zone, ca. 20 % der Gesamtfläche, hat die palästinensische Autonomiebehörde (PA) die alleinige Kontrolle, es handelt sich dabei um die größeren Städte, Bethlehem, Ramallah und Jericho gehören z.B. dazu, die aber kein zusammenhängendes Gebiet bilden, sondern wie Inseln in der C-Zone liegen, die dünn besiedelte Landstriche und auch Schnellstraßen umfasst, ca. 60 % des Westjordanlands ausmacht und vollständig unter israelischer Militärverwaltung steht. Bleibt noch Zone B, ländliche Gebiete und ca. 20 % des Westjordanlands, hier haben die Israelis militärisch das Sagen, die Palästinenser die administrative Kontrolle. Israelis ist es aus gutem Grund von Staats wegen untersagt, die A-Zonen zu betreten, sie müssten mit Übergriffen von Palästinensern rechnen. Große Schilder warnen die Israelis deshalb an den entsprechenden Zufahrten ausdrücklich vor dem Betreten der A-Zonen, das haben wir später selber gesehen. Für uns als Touristen ist es kein Problem, die A-Zonen zu bereisen, Bethlehem z.B. gehört auch zu dieser Kategorie, allerdings war eine junge Dame, die wir an der Touristeninformation in Jerusalem fragten, wie man am besten nach Ramallah komme, ziemlich unangenehm berührt – na ja, war vielleicht auch ein bisschen ungeschickt von uns. Im Vorfeld unserer Reise hatte ich einen Artikel über Ramallah in der Zeitung gelesen, der uns neugierig machte, deshalb sind wir jetzt hier, es interessiert uns, auch die andere, die palästinensische Seite kennenzulernen. Ramallah ist das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Westjordanlands, hier hat die palästinensische Autonomiebehörde ihren Sitz. Unser Bus hält nicht weit vom Al-Manara Square entfernt, dem zentralen Platz in Ramallah. Dorthin gehen wir zuerst und lassen uns für einen Kaffee im Stars & Bucks nieder, einem modernen, für hiesige Verhältnisse wahrscheinlich ziemlich hippen Café mit tollem Blick auf den geschäftigen Platz. Hier können wir in Ruhe unseren Airbnb-Gastgeber kontaktieren, wir haben Glück, er ist zu Hause und hat alles schon vorbereitet für uns, so können wir früher als gedacht ganz in der Nähe einchecken. Uns erwartet ein geräumiges Zimmer in einem Apartment, das zwei junge Männer gemeinsam bewohnen, Bad und Küche teilen wir uns mit ihnen. Wir werden sehr nett empfangen und brechen dann auch schon wieder auf, damit wir noch genug Zeit für das Jassir-Arafat-Museum haben, das schon um 17 Uhr schließt. Ein Teil des Museums ist gleichzeitig Regierungsgebäude, liegt es doch auf dem Gelände der Muqataa, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, wo auch Arafat von 1996 bis 2004 sein Hauptquartier hatte. Deshalb gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen, wir müssen unsere Ausweise vorzeigen und haben immer einen Aufpasser in der Nähe. Vor dem Eingang zum Museum befindet sich das Mausoleum mit Jassir Arafats Sarg, bewacht von zwei Soldaten. Im Museum selber ist wenig los, obwohl es Ramallahs größte Touristenattraktion ist, supermodern, superteuer (7 Millionen Dollar soll es gekostet haben), erst 2016 eröffnet und so etwas wie ein palästinensisches Prestigeobjekt. Eine junge Dame heftet sich sogleich an unsere Fersen und bietet an, uns das riesige Ölgemälde zu erläutern, das im Eingangsbereich hängt. Es stellt Personen dar, die Herausragendes für Palästina geleistet haben, erklärt uns die nette Angestellte in perfektem Englisch und zählt einige namentlich auf, Arafat ist natürlich dabei, weitere Politiker, Dichter, Denker, es sind fast ausschließlich Männer, aber auch ein paar Frauen, z.B. Dalal Mughrabi, eine junge Palästinenserin, die maßgeblich für den sogenannten Küstenstraßen-Anschlag 1978 in der Nähe von Tel Aviv verantwortlich war, bei dem ein Massaker unter israelischen Zivilisten angerichtet wurde. Das erzählt uns die hübsche Museumsangestellte nicht, wir recherchieren es später und wundern uns, dass eine Topterroristin, die mit ihren Komplizen gezielt Jagd auf unschuldige Zivilisten machte, hier als verdiente Palästinenserin geehrt wird, als sei es eine besonders hervorzuhebende Leistung, viele Juden auf einen Streich umgebracht zu haben. Der erste Teil der Ausstellung widmet sich der Geschichte Palästinas und dem Leben von Jassir Arafat, durch Fotos und Filme sehr gut, anschaulich und spannend präsentiert. Arafats Bemühungen um den Friedensprozess im Nahen Osten nehmen dabei verständlicherweise besonders viel Raum ein, Privates findet keine Erwähnung, so gibt es keine Hinweise auf seine Ehefrau und Tochter. Es geht eben um den Mythos und nicht um den Menschen Arafat. Wir schauen uns alles mit großem Interesse an, finden aber die Darstellung zur Geschichte Palästinas und des Nahost-Konflikts ziemlich einseitig. Insgesamt wird eine unkritische palästinensische Sicht der Dinge präsentiert, unerwähnt bleibt die lange jüdische Geschichte der Region, Juden kommen nur als Invasoren und Angreifer vor, Judenverfolgung und Holocaust werden mit keinem Satz erwähnt. Es gibt lediglich einen kurzen Hinweis, dass in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts viele Juden nach Palästina einwanderten, ohne weitere Erklärung, und ein harmloses Foto von einem Nazi-Parteitag in Nürnberg, das aber historisch nicht eingeordnet wird. Die Geschichtsklitterung gipfelt in der Darstellung des Olympia-Attentats in München 1972, das von einer palästinensischen Terrorgruppe verübt wurde und mit vielen Toten endete, unter ihnen 11 jüdische Sportler. In der Präsentation des Museums wird der Spieß einfach umgedreht und die Verantwortung für die Toten israelischen und deutschen Sicherheitskräften in die Schuhe geschoben… Eine ziemlich eigenwillige Interpretation des Anschlags, die einem Museum, das international wahrgenommen werden möchte, unserer Meinung nach nicht angemessen ist. Auch hält das Museum die Legende aufrecht, Arafat sei in Jerusalem geboren und aufgewachsen. Es gibt sogar die Nachbildung eines Zimmers der angeblichen Jerusalemer Wohnung mit Fensterblick auf den Tempelberg…. Arafat selber hat dieser Legende zwar Vorschub geleistet, indem er immer wieder behauptete, in Jerusalem geboren worden zu sein, wahrscheinlich weil das besser zum palästinensischen Anspruch auf Jerusalem passte, tatsächlich erblickte er aber in Kairo das Licht der Welt.

Der zweite Teil des Museums befindet sich in einem anderen Gebäude, das aber mit dem ersten verbunden ist, und führt uns direkt zu den Räumen, in denen Arafat während der israelischen Belagerung ab 2002 Zuflucht fand, nachdem ein Teil seines Amtssitzes von den Israelis zerstört worden war. Fast drei Jahre stand der Palästinenserführer während der Zweiten Intifada hier faktisch unter Hausarrest der Israelis, die das Areal besetzt hielten. Zu sehen ist u.a. Arafats Büro mit einem großen Foto des Tempelbergs an der Wand, ein Besprechungsraum, eine kleine Küche, Räume des Wachpersonals und der Leibwächter und sein eigener Schlafraum. Ein weiterer Ausstellungsraum beschäftigt sich mit dem Tod Arafats. Der Palästinenserführer war im Herbst 2004 in seinem Amtssitz in Ramallah erkrankt und wurde, weil sich sein Zustand zusehends verschlechterte, in ein Militärkrankenhaus in Paris gebracht, wo er am 11. November 2004 starb. Die Palästinenser verdächtigten Israel, Arafat radioaktiv vergiftet zu haben, Beweise dafür gibt es nicht und die genaue Todesursache ist bis heute unklar. Die in der Ausstellung präsentierten toxikologischen Gutachten aus der Schweiz, die die Vergiftung belegen sollen, widersprechen den Untersuchungsergebnissen französischer Experten, die von einer natürlichen Todesursache ausgehen. Damit ist unser sehr interessanter und aufschlussreicher Rundgang durch das Museum beendet.

Es dämmert schon, als wir zurück ins ca. 1 km entfernte Zentrum von Ramallah laufen, die Straßen sind noch voll und sehr lebendig. Ramallah soll die „westlichste“ aller Palästinenserstädte sein, die meisten Frauen tragen zwar ein Kopftuch und lange Mäntel, aber die jungen Damen auch knallenge Jeans, Vollverschleierung sehen wir kaum. Wir schauen kurz in ein paar Läden, die in ihrer Ausstattung alle ein bisschen antiquiert wirken, hochwertige Waren darf man hier wohl nicht erwarten, das ist jedoch nur unser flüchtiger Eindruck. Das Abendessen in der Restaurant-Empfehlung unseres Gastgebers ist eher mäßig, aber kulinarische Höhepunkte hatten wir auch nicht erwartet. Wie in Bethlehem ist auch hier der Schekel die selbstverständliche Währung. Wir sind früh auf unserem Zimmer, Gerold bekommt sogar noch ein kaltes Ber für den Abend, unsere beiden Gastgeber sehen wir nur kurz.

Den nächsten Tag lassen wir ruhig angehen, die wichtigste Attraktion in Ramallah, das heute geschlossene Museum, haben wir ja schon gesehen. Omar, der uns gestern eingecheckt hat, ist schon weg, als wir uns in der Küche einen Kaffee machen, Ameer ist noch da und eh der Gesprächigere von den beiden. Er plaudert eine ganze Weile mit Gerold und erzählt von seiner Familie und dem Leben in Ramallah. Seine Eltern hätten selber keine Chance auf Bildung gehabt, aber dafür gesorgt, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Ameer ist studierter Soziologe und arbeitet bei der palästinensischen Autonomiebehörde. Ursprünglich habe die Familie viel Land besessen, sei aber beim Bau der israelischen Sperranlagen entschädigungslos enteignet worden. Heute seien seine Verwandten über die ganze Welt verstreut. Das ist die andere, die palästinensische Seite. Ameer erzählt auch, dass das Leben in Ramallah schon seit einiger Zeit in ruhigeren Bahnen verlaufe, was Anlass zu der Hoffnung auf einen allgemeinen Aufschwung gebe. „Clatches“, also Zusammenstöße mit israelischen Soldaten oder Siedlern seien schon lange nicht mehr vorgekommen. Sollten wir wider Erwarten in eine solche Auseinandersetzung hineingeraten, würden uns die Palästinenser beistehen. Ein besonderes Programm haben wir heute nicht, wir lassen uns einfach durch die Straßen treiben, essen sehr leckere Kibbeh in einem Imbiss und gehen dann zum geschäftigen Markt, der im Vergleich zu den Märkten in Jerusalem und Tel Aviv eher bescheiden ist, aber das ist ja auch kein Wunder.

Mehrfach werden wir sehr freundlich angesprochen, mit Handschlag begrüßt und gefragt, woher wir kommen, man freut sich offenbar, dass Touristen den Weg hierher finden, im Stadtbild von Ramallah sind sie noch eher eine Seltenheit, wir sehen heute nur einige wenige Ausländer. Am Einang zum Markt gibt es einen Stand, der vor Ort frisches Fladenbrot herstellt, mit Olivenöl bestrichen und Za'atar bestreut wird daraus eine wahre Köstlichkeit, selten haben wir etwas so Leckeres gegessen, das aus so einfachen Zutaten besteht. Za'atar ist eine Gewürzmischung auf der Basis von wildem Thymian, geröstetem Sesam und Sumach und findet in der Levante-Küche vielfach Verwendung, es ist die kulinarische Entdeckung für uns auf dieser Reise, in Deutschland in jedem arabischen Lebensmittelladen erhältlich, wie wir später feststellen, allerdings in sehr unterschiedlicher Qualität. Nach einer langen Pause in unserem Zimmer ziehen wir später noch einmal los, dieses Mal gehen wir in das modernere Stadtviertel Al Masyoun, wo angeblich das Nachtleben von Ramallah stattfindet. Tatsächlich befinden sich hier etliche trendige Kneipen und Cafés, aber sie sind alle menschenleer, vielleicht ist am Abend mehr los. Auch einen modernen Lebensmittelladen entdecken wir, mit internationalem Sortiment. Lange sitzen wir bei Stars & Bucks und beobachten das Treiben auf dem Al-Manara Square, zum Abendessen gehen wir zu Mr. Baker, einer Art Schnellimbiss, der brechend voll ist, das Essen kann hier nur gut sein. Tatsächlich bekommen wir ein hervorragendes Shawarma. Unsere Gastgeber sehen wir heute nicht mehr, am nächsten Morgen nehmen wir sehr früh den Bus zurück nach Jerusalem. Vor dem Kontrollpunkt Qalandia stehen wir eine Weile im Stau und haben Gelegenheit, ein paar Fotos von den israelkritischen Graffiti auf der palästinensischen Seite der Mauer zu machen, die das Westjordanland von Israel trennt. Bei der Wiedereinreise nach Israel müssen wir dieses Mal unsere Pässe vorzeigen und mit allen anderen Fahrgästen den Bus wechseln, unser Gepäck wird aber nicht kontrolliert. Unser kurzer Aufenthalt im Westjordanland ist damit beendet und ein neuer Abschnitt unserer Israel-Reise beginnt, denn ab heute haben wir ein Mietauto.



Ein Kaffee im Stars & Bucks Café in Ramallah ......


.... mit Blick auf den zentralen Al-Manara Square
 


Falafel und Kibbeh - immer ein leckerer Snack. So freundlich wie von dem jungen Mann wurden wir überall in Ramallah begrüßt.



Das Grab von Jassir Arafat befindet sich auf dem Gelände der Muqataa, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde.



Im Eingangsbereich des Jassir-Arafat-Museums befindet sich ein großes Ölgemälde, das Personen darstellt, die Herausragendes für Palästina geleistet haben; dazu zählt man offenbar auch Terroristinnen: Die Frau vorne rechts ist Dalal Mughrabi, hauptverantwortlich für das sogenannte Küstenstraßen-Massaker 1978 unter israelischen Zivilisten mit 37 Toten. Die Frau vorne links ist Leila Chaled, die an mehreren Flugzeugentführungen beteiligt war.


Das Arbeitszimmer von Jassir Arafat während der Zeit der israelischen Belagerung in der Zweiten Intifada



Jassir Arafat - Freiheitskämpfer, Guerillakrieger, Terrorist, Friedensnobelpreisträger



Hier gibt es leckere Kibbeh



Auf dem Markt von Ramallah



Dito



Im Marktbereich von Ramallah
 


Hier wird frisches Fladenbrot hergestellt


Fladenbrot mit Olivenöl und Za'atar - superlecker!



Am Al - Manara Square, dem zentralen Platz in Ramallah, befindet sich "unser" Stars & Bucks Café. Rechts im Hintergrund macht Mike Tyson, der mehrmalige amerikanische Box- und Skandalweltmeister mit dem markanten Maori-Tatoo im Gesicht, Werbung für den Energy Drink "Black". Das Plakat haben wir mehrfach in Ramallah gesehen, die Erklärung dafür ist wohl auch, dass Tyson während eines Gefängnisaufenthalts zum Islam konvertierte und sich fortan Abdul Aziz nannte.




Ein Wasserverkäufer am Al-Manara Square
 



Straßenszene in Ramallah


Hier gibt es leckeren Kaffee



Straßenstand in Ramallah
 
 
 
Im modernen Stadtteil Al Masyoun sind Straßen und Cafés menschenleer.
 
 


Traum und Realität - vollverschleierte Frauen haben wir in Ramallah allerdings selten gesehen



Schicke junge Damen in Ramallah


Am Busbahnhof von Ramallah: Abreise aus dem Westjordanland


Am Kontrollpunkt Qalandia: Graffiti auf der palästinensischen Seite der Sperranlagen, die das Westjordanland von Israel trennen.

 

Dito: Rechts Jassir Arafat, links daneben Marwan Barghuthi, ein führender palästinensischer Politiker, zu dessen Befreiung hier aufgerufen wird. Er wurde 2002 während der Zweiten Intifada von den Israelis in Ramallah verhaftet und verbüßt seitdem in Israel eine umstrittene fünffache lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und Terrorismus.
 
 
 
 

Steinschleudern werden von palästinensischen Jugendlichen gerne gegen israelische Siedler und Soldaten eingesetzt, hier wird aber ein Herz geschleudert - eine Friedensbotschaft? Im Gegenteil - der Kommentar ("From Palestine with love") legt eine andere Deutung nahe... Es ist schwierig, im Nahostkonflikt für  eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen, sowohl Israel als auch Palästina haben nachvollziehbare Argumente für ihr Verhalten - die Lösung des Nahostkonflikts ist wohl ein Fall für das Jüngste Gericht...